Foto: Standard/Fischer

Die Physikerin Ille Gebeshuber im Regenwaldhaus des Tiergarten Schönbrunn: Erinnerung an ein Seminar, wo auch Strategien gegen den Lärm gesucht wurden.

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DER STANDARD suchte mit während eines Spaziergangs durch den Tiergarten Schönbrunn.

Kahler, rötlicher Kopf, nach unten gebogener Schnabel, schwarzes Federkleid: Die Waldrappe sind alles andere als schöne Vögel. Davon können sich auch Besucher des Tiergarten Schönbrunn überzeugen. Da sitzen die Waldrappe wie auf einem Drahtseil ganz oben im Käfig. Manche von ihnen zeigen sich neugierig, einige geben sich unbeeindruckt von den Menschen da unten und scheinen ein wenig fadisiert zu sein.

Auf den ersten Blick sieht diesen Vögeln wohl niemand an, dass sie ein besonderes Talent haben, sie wirken auf Laien fast erbarmungswürdig. Doch der Schein trügt: Ihr schwarzes Federkleid zeigt sich nämlich je nach Lichteinfall und Blickwinkel in zusätzlichen Farbtönen, Strukturfarben, wie man sie vom Pfau kennt. Sonnenstrahlen manchen diesen Federn nichts aus: Sie bleiben so, wie sie sind, und bleichen nicht aus. Man kennt ein derartiges Farblichtspiel von der CD. Auch in Öllacken tritt es auf.

Naturvorbilder für die moderne Technik: Ille Gebeshuber geht durch den Zoo, um sie dem Standard zu zeigen. Die Experimentalphysikerin, Gründungsmitglied des universitätsweiten Forschungszentrums Bionik an der Technischen Universität Wien, wird bei der vom Infrastrukturministerium organisierten Konferenz "Bionik – an der Schnittstelle zwischen Biologie und Technik" im Tiergarten Schönbrunn (24.9. bis 25.9.) über diese TU-Initiative sprechen.

Wie die Idee zu diesem Zentrum entstand? "An verschiedenen Instituten wurde bionische Forschung betrieben. Das haben wir erst bemerkt, als wir uns auf Tagungen begegneten", erzählt sie. Schon vernünftiger, sich auch zu Hause zu treffen und über eine mögliche Zusammenarbeit zu reden. "Eine Architektin, die sich über Konstruktionen in der Natur Gedanken macht, und eine Physikerin, die über die Statik dieser Konstruktion nachdenkt, sollten wohl über gemeinsame Projekte nachdenken." Dazu brauche man eigentlich nur eine gemeinsame Sprache, die über die Fachgrenzen hinaus verständlich ist.

Aber was so einfach klingt, ist nicht so leicht umsetzbar. Gebeshuber, die demnächst eine Professur in Kuala Lumpur antritt, schwärmt in diesem Zusammenhang vom Treffen einiger Wissenschafter und Technologieentwickler im südamerikanischen Regenwald. "Hier lernt man als Physikerin, über den Tellerrand des eigenen Fachs zu schauen." Techniker des Advanced Concept Centers von Boeing seien vor Ort gewesen, weil sie einen "Lösungsvorschlag" der Natur für das Zivilisationsproblem Lärm suchten.

Schall dämmen

Die Forscher erkannten, wie schalldämmend zum Beispiel die hexagonal gebauten Bienenwaben gegenüber dem lauten "Gesang" von Zikaden sind. Den Rand der Waben sollte man daher für die Innenverkleidung eines Flugzeugs nachbauen können.

Beim Spaziergang durch den Tiergarten denkt man, wenn von der "Schnittstelle zwischen Biologie und Technik" die Rede ist, natürlich an die Pfoten des Eisbären, die einen "grip" aufweisen, der bei der Herstellung von Autoreifen nachgeahmt wird. Beim Gehege der Pinguine spricht man von Managementseminaren, die die Bewohner der Südhalbkugel zum Vorbild nehmen.

Gebeshuber erzählt von einem in diesem Zusammenhang nicht weniger populären Tier, dem Pferd. Sie habe von Managementseminaren gehört, "in denen der Umgang mit Pferden als Beweis dafür gesehen wird, ob ein Teilnehmer für eine Führungsposition geeignet ist". Grund: "Weil diese Tiere starke Führungspersönlichkeiten brauchen."

Natürlich könne man nicht bei allen Fragen und Problemen nach Antworten und Lösungen in der Natur suchen, sagt Gebeshuber. Es komme auf die Umsetzbarkeit und auf die Anwendbarkeit im menschlichen Alltag an – Pflanzen oder Tiere von einer Seite zu zeigen, die man ihnen noch vor einigen Jahren nicht zugetraut hat. Kieselalgen zum Beispiel, wichtige Produzenten von organischen Stoffen, haben Forscher schon zu mindestens zwei bionischen Ideen inspiriert. Sie waren Vorbild für stabilere Autofelgen.

Nun will Gebeshuber selbst in einem Projekt dreidimensionale mikroelektromechanische Systeme wie zum Beispiel Beamer nach dem Muster dieser Algen bauen. Besonders die im Rasterelektronenmikroskop sichtbaren Verbindungsstrukturen haben es ihr angetan. Nach dieser Idealkonstruktion könne man die Spiegel im Beamer in Bewegung halten und damit die Dreidimensionalität ermöglichen. Das Meer wird also Inspirationsquelle für die Elektronik. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9. 2008)