Grafik: STANDARD
Grafik: STANDARD

Wien - Offiziell sind Prozentsätze tabu, informell wird natürlich gerechnet. Und damit liegt die Latte für Metallgewerkschaftschef Erich Foglar hoch."Unter 5,5 Prozent gehen wir gar nicht hinein" , so die Vorgabe einiger Voestalpine-Arbeitnehmervertreter für die heute, Freitag, beginnende Herbstlohnrunde der Metallarbeiter und Industrieangestellten.

Dass sie erstmals im Haus der Industrie am Wiener Schwarzenberg beginnt und nicht in der Wirtschaftskammer, werten manche Beobachter als bedeutungsvolles Vorzeichen für die konjunkturbedingt ohnehin extrem schwierige Gesamtsituation. Denn die Front verläuft nicht nur zwischen Arbeitgebern und -nehmern, sondern auch innerhalb der Metallindustrie: Auf der einen Seite die Stahlproduzenten, die auf Hochtouren Rekordgewinne produzieren, auf der anderen Seite die Metallverarbeiter, deren Gewinnmargen zwischen hohen Stahl-, Rohstoff- und Energiepreisen zerrieben werden.

Damit ist klar: Je höher der Abschluss, desto größer die Gefahr für die Einheit der aus sieben Fachverbänden (von Eisenerzeugern über Gießereien bis zu Maschinenherstellern und Gasversorgern) bestehenden Tarifgemeinschaft.

Für die Arbeitnehmer ist die Sache etwas einfacher:Sie wollen ein möglichst großes Stück vom Kuchen. "2008 war ein sehr gutes Jahr für die Branche, und von diesem Produktivitätsfortschritt wollen wir unseren Anteil", so der Standardsatz aus dem Repertoire der Metall- und Industriegewerkschafter. Als Verstärker wirken anhaltend hohe Inflation und kalte Progression (durch die Lohnerhöhung rutscht man automatisch in höhere Steuertarife).

Ein Blick auf die Entwicklung der Netto-Lohnentwicklung zeigt das Dilemma, in dem in Österreich Lohnverhandlungen stattfinden:Die Reallöhne sinken, das Minus betrug zuletzt 0,7 Prozent. Weitere Reallohnverluste könne man nicht hinnehmen, stellte ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer klar.

Überfällige Lohnsteuerreform

Die Arbeitgeber in der Metallindustrie "wollen und können die überfällige Lohnsteuerreform nicht wettmachen". Sie präferieren eine Inflationsabgeltung plus eine Einmalzahlung (weil sie nicht dauerhaft belastet) als Gewinnprämie. "Die Einmalzahlung wird kräftig sein müssen, denn 2008 war ein gutes Jahr" , skizziert ein Arbeitgebervertreter, der nicht genannt werden will, die Marschrichtung. Damit sind bei weitem nicht alle einverstanden. Wolfgang Welser, Obmann der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer und selbst Metallverarbeiter (Welser Profile), etwa schlägt vor, dass "ein wesentlicher Teil der Lohnerhöhungen als abgabenbefreite Einmalzahlung geleistet" wird. Das belaste die voraussichtlich schwachen Folgejahre nicht, decke aber immerhin die Teuerung ab und bringe Mittel in den privaten Konsum. Schließlich verschlechtere sich die Auftragslage spürbar, das Wirtschaftswachstum stocke.

Ob sich mit dem Vorschlag "Konflikte rechtzeitig entschärfen" lassen, wie Welser hofft, steht in den Sternen. Denn Abgabenfreiheit muss gesetzlich gewährt werden. "Das ist kein Ersatz für nachhaltig wirksame Lohnerhöhungen, sondern bestenfalls ein zusätzliches Element", stellt Foglar klar.

Rein rechnerisch müsste für die 5,5 Prozent Lohnerhöhung, von der die Voestler träumen, bei einer Jahresinflation von 3,5 Prozent (die Prognose wird nächste Woche vermutlich erhöht, die für das Wirtschaftswachstum gesenkt) die Prämie für einen Durchschnittslohn der Arbeiter 250 Euro (um 50 mehr als im Vorjahr) betragen und für Angestellte 400 Euro (das Doppelte von 2007).  (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2008)