The Walkmen, ausnahmsweise einmal frisch rasiert.

Foto: Hoanzl

Vorwärts in die Vergangenheit statt zurück in die Zukunft. The Walkmen wollen nichts von der Moderne. Wenn schon, dann will diese etwas von ihnen. Egal ist sie ihnen sowieso. Die fünf Jungs aus New York sind so etwas wie Role-Models des Williamsburg-Lifestyles. Also jenes Brooklyner Grätzls, das ein wenig so aussieht wie das Filmsetting eines Richard-Linklater- Films über junge Hipster, die sich vor den Toren Manhattans Jean-Paul Sartre und William Faulkner widmen, milchgeschäumtes Kaffeeimitat schlürfen, ein bisserl zum Unrasierten neigen und trotz eines gepflegten Zynismus - this is New York after all! - sehr, sehr twee sind. Also urlieb und extranett und kuschelmuschelknuddeldings. Böses Geld und böse Karriere kann man später noch machen.

Dieses Leben gewordene Klischee beschreibt die Musik der Walkmen mit einem sich eben der Moderne verweigernden Rock, der trotz Instrumenten, die wie aus dem Museum geklaut wirken, nicht museal anmutet. Zu ihrer Ausrichtung an der Zeit vorbei passt, dass etwa ihr 2006er-Album A Hundred Miles Off streng nach Bob Dylan gerochen und man den Rest nämlichen Jahres damit verplempert hat, Pussy Cats Starring the Walkmen einzuspielen. Ein Cover-Album, das Pussy Cats von Harry Nilsson Song für Song nachstellte. Da braucht man schon ein bisserl einen Vogel dafür. Sympathisch.

Nun ist You & Me erschienen, und das Erste, was auffällt, ist, dass der Bob-Dylan-Faktor etwas zurückgenommen wurde. Kein Schaden, denn - Merksatz! - wer Bob Dylan hören will, ist bei Bob Dylan bestens aufgehoben, braucht also The Walkmen nicht. Auch wenn Hamilton Leithauser, so der Name des Walkmen-Sängers, weiterhin nach Robert Zimmermann tönt, hat man sich ästhetisch hin zu einem verwischten, atmosphärereichen Sound verändert, der nicht nur wie bisher auf den rumpelnden Charme des alten Klimbims baut, auf dem man musiziert. You & Me ist feiner arrangiert, tendenziell abgebremst und räumt viel (Klang-)Raum ein, in dem etwa träge Hörner ihre Wirkung entfalten können, Clave-Hölzer geklopft werden oder die meist seltsam verstimmt wirkende Gitarre und ihr schneidender Klang extraschräg einfahren.

Das Ergebnis ist so wahnsinnig Indie - also auch wieder Klischee -, dass es einem an schlechten Tagen schon auch wohin gehen kann. Einerseits. Andererseits geht ein Song wie der direkt dem Schwermut Forest herausgeschnittene I Lost You schon schwer zu Herzen. In desperater Schräglage, wie man sie von Clem Snide kennt, Nachbarn von The Walkmen, wird einer verlorenen Liebe nachgeweint, geseufzt, gequengelt.

Ist man einmal dort, beim vorletzten Stück nämlich, angelangt, haben The Walkmen schon gewonnen. You & Me besitzt definitiv keinen herausragenden Hit, ist definitiv nicht O. C. California-tauglich. Seine patinierte Soundästhetik, die an die Soloarbeiten von Joe Henry oder T-Bone Burnett erinnert, hat das aber nicht notwendig. Der sanfte Zauber dieses Werks wirkt schleichend. Klischee oder nicht. Die Schönheit siegt. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.9.2008)