Wien - Der Zusammenhang zwischen markanten Musikmomenten und luxuriösen Rahmenbedingungen der Probenarbeit ist eindeutig. Claudio Abbado hat ebensolche in Luzern mit dem von ihm neu gegründeten Orchester geschaffen; und es ist nur konsequent, dass diese Absage an das Flüchtige und Gehetzte des Konzertalltags auch bei einer Tournee ihre Fortsetzung findet, indem man eben nicht aus dem Koffer lebend von Ort zu Ort rast, sich vielmehr kurzzeitig sesshaft macht - diesfalls im Wiener Musikverein - und so eine dichte Arbeitssituation schafft.

Natürlich würde dies alles nichts nützen, wäre nicht auch eine musikalische Vision im Spiel, die dem Probenfleiß im Konzert jenes gewisse Etwas einhaucht. Bei Abbado ist es eine kammermusikalische Utopie des Orchestralen. Sie wirkt bei Tschaikowskys Sturm-Fantasie wie auch bei Strawinskys Feuervogel-Suite (Fassung 1919) als Transparenz und Klarheit einzelner Strukturen; ungemein facettenreich kommen sie bei beiden Werken zum Vorschein.

Das Lucerne Festival Orchestra, mit seinem alles andere als überkandidelten Sound, wirkt dabei allerdings nie unterkühlt. Das wiederum hängt mit Abbados dezenter Impulsivität zusammen und seinem Hang, Linien mit Legatostilistik zu verfeinern. Der Mailänder Maestro beherrscht eben die Symbiose von klarer Analyse und Emphase. Da kommt jede Note gestochen scharf. Und doch wirkt alles durch extreme dynamische Kontraste und elegante Phrasierung ungemein geschmeidig und aufgeladen.

Nicht ganz gelang dies alles bei Rachmaninows zweitem Klavierkonzert. Da klang manches etwas dicklich, Solistin Hélène Grimaud fand sich vom Orchester bisweilen klanglich zugedeckt. Und als wollte sie der Opulenz etwas entgegenhalten, verlegte sie sich auf einen sehr monochromen und kühlen Zugriff. Erst im dritten Satz vermittelte sie so etwas wie gestalterischen Charme. Etwas zu spät. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.09.2008)