ModeratorIn: Wir begrüßen SORA-Chef Christoph Hofinger im Chat und bitten die UserInnen um Fragen!

Christoph Hofinger: Ich begrüße alle derStandard.at UserInnen herzlich und ich freue mich auf einen spannenden Chat.

Vanilleschote: Weiß man schon, wie die ErstwählerInnen gewählt haben?

Christoph Hofinger: Nein, weil sie in den Umfragen einen zu geringen Teil der Stichprobe ausmachen. Wir versuchen aber gerade ein eigenes Projekt zum Thema ErstwählerInnen aufzustellen durch das wir dann mehr über diese Altersgruppe wissen.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Stimmt es, dass die jungen Wähler vor allem die FPÖ gewählt haben?

Christoph Hofinger: Bei den unter 30-jährigen hat die FPÖ bereits eine Mehrheit, besonders stark war die FPÖ bei Männern unter 30. Dort erreichte sie 28%. Bei Frauen unter 30 21%, dort ist die ÖVP am stärksten.

ModeratorIn: Noch eine Userfrage per Email: Guten Tag Herr Hofinger! Angenommen, Sie könnten jetzt noch ihre Stimme abgeben (etwa mittels rechtswidrig rückdatierter Wahlkarte), bei welcher Partei würde sich eine Stimme noch besonders lohnen?

Christoph Hofinger: Ich gebe keine Empfehlungen zu einen ungesetzlichen Akt, sorry!

God_of_the_Wind: Gestern im ORF wurde gesagt dass Strache diese Wahl schlicht damit gewinnen konnte dass er die anderen Parteien quasi auf "sein Territorium" gelockt hat und dann natürlich mit Erfahrung im "rechten Eck" geschlagen, würden Sie dem zustimmen?

Christoph Hofinger: Da ist schon was dran. Die Frage ist, warum sich andere Parteien in FPÖ-Territorien locken lassen. Bei der EU-Skepsis und der Anti-Ausländer-Rhetorik ist immer noch die FPÖ der Schmied und alle anderen sind bestenfalls Schmiedels. Die Großparteien machen hier immer wieder den Fehler, dass sie den Rechtspopulisten Recht geben in deren Diagnose was falsch läuft in Österreich.

Arbi Trary: Sind die Gewinne des dritten Lagers ihrer Einschätzung nach eher auf Proteststimmen zurückzuführen oder auf ideologische Übereinstimmungen?

Christoph Hofinger: Der Protest stand sehr stark im Vordergrund. Die Bevölkerung in Österreich ist sehr verunsichert, weil sich dunkle Wolken am Konjunkturhimmel zeigen und genau in dem Moment sich die Kapitäne zerstreiten. Die Umfragen zeigen, dass bei den Wahlmotiven für die FPÖ "frischer Wind" und "Protest gegen Regierung" die wichtigsten waren.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Rot-Blau nach Auszählung der Wahlkarten weiterhin über eine Mehrheit verfügt?

Christoph Hofinger: Nach unserer Wahlkartenprognose geht es sich knapp aus mit einem Mandat Mehrheit. Ich kann aber nicht ausschließen, dass noch ein Mandat durch die Wahlkarten wandert und die Mehrheit dann weg ist.

sisosa: Nach Auszählung aller fehlenden Stimmen (Briefwahl, usw.): Besteht noch die Möglichkeit, dass die Grünen das BZÖ überholen??

Christoph Hofinger: Die Möglichkeit besteht, wenn überdurchschnittlich viele Grünwähler die neue Möglichkeit der Briefwahl genutzt haben und unsere Wahlkartenprognose die Grünen etwas unterschätzt. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich.

glasklar: wie stark fischen grüne und lif wirklich im gleichen teich?

Christoph Hofinger: Die Grünen haben 40 000 an die Liberalen verloren, also rund 1 Prozentpunkt. Beide sprechen fast ausschließlich die Bildungsschicht an und das vorwiegend in den Städten. Ohne das Antreten des LIF hätten die Grünen ein Plus.

Wheezer: Wie kann es sein, daß das LIF im Vorfeld bei 4-5% liegt, und dann so klar den Einzug in den nationalrat verpasst?

Christoph Hofinger: In unseren Umfragen, die wir nicht publiziert haben, lagen sie nie über 4%. Das LIF hat vor allem in der letzten Woche noch abgebaut. LIF und Grün-WählerInnen deklarieren sich häufig schon zu Beginn eines Wahlkampfes, deswegen werden beide Parteien in der Frühphase überschätzt.

brahmasphutasiddhanta: Wie sehen Sie die (zuletzt von ALexander Van der Bellen geäußerte) Einschätzung, dass das gemeinsame Potential (gesellschaftlich) liberaler Parteien in Österreich 12 bis 13 Prozent nicht übersteigt? Wenn man sich die Ergebnisse der Nationalratswahle

Christoph Hofinger: Das hängt von der Definition von Liberal ab. Für wirtschaftsliberale Ideen ist in Österreich ein begrenzter Markt vorhanden, punkto Gesellschaftsliberalismus ist das Potential größer.

Manfred Bieder: Hätte es das LIF ohne die Zach-Affäre geschafft?

Christoph Hofinger: Schwer zu sagen, ich denke eher nicht. "Fairness" war vermutlich nicht die richtige Botschaft für eine LIF-Kampagne. Das ist von der SPÖ zu stark besetzt.

Marcher Marcherling: Hat die ÖVP wegen W. Molterer oder der Themenführerschaft der SPÖ wegen verloren?

Christoph Hofinger: Beides. Während für die Hälfte der SPÖ-Wähler der Spitzenkandidat ein Wahlmotiv war, war das nur bei einem Viertel der ÖVP-Wähler der Fall. Der Schachzug Faymanns mit dem 5-Punkte-Plan gegen die Teuerung hat zu dem der SPÖ ermöglicht das Tempo vorzugeben. Die ÖVP hat zuwenig auf die Themen gesetzt wo sie eigentlich stark ist, insbesondere Wirtschaftswachstum.

God_of_the_Wind: Warum wählt der österr. Protestwähler in Bedrängnis eher rechts als links, gibt es hier demographische Zusammenhänge oder lediglich "Gewohnheit"?

Christoph Hofinger: Die linken Oppositionsparteien schaffen es weder in ihren Strukturen noch in der Formulierung ihrer Botschaften außerhalb der Bildungsschicht zu punkten. Weder Grüne noch Liberale noch KPÖ noch Dinkhauser haben der Unzufriedenheit mit der Regierung in eine für breite Bevölkerungsschichten verständliche Botschaft gefasst.

United Blog: Die Rechtsextremen haben Österreich übernommen, steht in den internationalen Zeitungen. Muss man sich für Österreich schämen, weil es hier 30 Prozent Rechte gibt.

Christoph Hofinger: Nicht jeder der FPÖ oder BZÖ wählt kann als rechtsextrem bezeichnet werden. Viele der Wähler dieser Parteien akzeptieren Polemik gegen Ausländer und Asylwerber. Letztlich liegt es an den übrigen Parteien des politischen Spektrums hier ein Gegenbild zu entwerfen, wie eine bunt durchmischte Gesellschaft trotz aller Probleme funktionieren kann. Das Kernproblem ist, dass vor allem SPÖ und ÖVP den rechtspopulistischen Parteien in der Grundannahme, dass Ausländer mehr Probleme verursachen, als sie der Gesellschaft bringen, nie wirklich etwas entgegen gesetzt haben.

der Kran: Glauben Sie haben die rechtesten Parteien mit knapp 30% bereits die Oberkante erreicht oder kanns noch mehr sein?

Christoph Hofinger: Wenn die nächste Rot-Schwarze Regierung da anschließt wo die letzte aufgehört hat, und sich nicht die kleinsten Erfolge gegenseitig gönnt, ist 30% noch lange nicht der Plafond. Eine SP-VP-Koalition die Probleme löst und in die nächste Kampagne mit klar unterscheidbaren Zukunftsperspektiven geht, kann den Wähleranteil für die Regierungsparteien wieder erhöhen.

Wheezer: Würden Sie das Ergebnis als Auftrag für eine große Koalition werten?

Christoph Hofinger: Nur für eine anders agierende Regierung von SPÖ und ÖVP. Der Regierungsauftrag geht zunächst an die stärkste Partei, also die SPÖ, die dann Möglichkeiten ausloten kann, je nach möglichen Mandatsmehrheiten.

Wheezer: Ist es mittlerweile nicht wichtiger einen zugkräftigen Spitzenkanditaten zu präsentieren als ein Programm? Hätte das BZÖ auch 11% mit einem Hr. Westenthaler errreicht?

Christoph Hofinger: 59% der BZÖ-Wähler haben Haider als wichtiges Wahlmotiv genannt. Er hat zum ersten Mal seit 1999 in einem Bundeswahlkampf diszipliniert und nicht selbst zerstörerisch agiert und so mit Sicherheit zum BZÖ-Zuwachs beigetragen.

Wolfrider: Gibt es ihrer Meinung nach Unterschiede in der Wählerschaft von FPÖ und BZÖ? Etwa das BZÖ Wähler mehr wirtschaftliberal eingestellt sind und FPÖ-Wähler sozialer?

Christoph Hofinger: Der größte Unterschied ist der regionale. Die BZÖ-Wähler umfassen sehr viele Kärntner. In Wien ist Blau überdurchschnittlich stark. Das BZÖ hat sehr viel von der ÖVP bekommen (149 000 Stimmen), die FPÖ von der SPÖ (171 000).

rico tico: Wieviele WählerInnen mit migrantischem Hintergrund haben FPÖ/BZÖ gewählt.? Gibt es dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten?

Christoph Hofinger: Hierzu ist die Datenlage unsicher. Wir haben bei eingebürgerten Befragten 8% für Blau und 4% für Orange. Das sind also deutlich weniger als bei "Inländern", allerdings beruht das auf relativ wenigen Interviews, es gibt also hohe Schwankungsbreiten. Unterschiede zwischen den Nationalitäten lassen sich da nicht analysieren.

A. G. Stachanow: Kann man sagen, dass es die "GlobalisierungsverliererInnen" bzw. die niedrigsten EinkommensbezieherInnen sind, die "Protest" gewählt haben?

Christoph Hofinger: Nein. Der Protest beruht mehr auf der Angst zu verlieren als auf der Grundlage eines tatsächlich erlebten ökonomischen Abstiegs. Bei sozial schwachen ist der Protest nicht unbedingt stärker.

nbergmann: Warum hat sich die ÖVP so verschätzt, hatten sie tatsächlich zum "Es reicht"-Zeitpunkt völlig andere Umfragen vorliegen?

Christoph Hofinger: Die Umfragen im Frühjahr gaben der ÖVP eine trügerische Hoffnung, was sich die ÖVP zuwenig überlegt hat war mit welchen Themen und Botschaften sie den Wahlkampf letztendlich gewinnen wollte.

Schreck: Was muss die Linke in Österreich ändern, um wieder an Zugkraft zu gewinnen (alle linken Parteien haben ja verloren, selbst die KPÖ)

Christoph Hofinger: Die Linke könnte drei Dinge tun: 1. Zuspitzen um auch außerhalb der Bildungsschicht zu punkten. 2. Starke Negativbotschaften gegen die andere Seite des politischen Spektrums zu formulieren, das muss deswegen noch lange nicht in dirty campaigning ausarten. 3. Ein Zukunftsbild zeichnen, das potenziellen WählerInnen Hoffnung gibt. Obama schafft das möglicherweise gerade in den USA.

Philipp Valenta: Warum konnte Grüne während der Großen Koalition nocht hinzugewinnen?

Christoph Hofinger: Neben den soeben erwähnten Punkten hätten die Grünen noch Potential im Bereich der Wahlkmapftechniken. Das Internet wird zur Mobilisierung von WählerInnen und Freiwilligen generell in Österreich viel zu wenig genutzt, gerade die Grünen hätten da enorme Chancen. Nur 14% der unter 30-jährigen haben Grün gewählt, da wäre mehr drin.

Huber Franz #1: Was meinen Sie, wäre die SPÖ mit Gusenbauer bei dieser Wahl auch so völlig eingebrochen wie die Schwarzen?

Christoph Hofinger: Da können wir nur spekulieren. Mit den richtigen Themen gäbe es aber keinen triftigen Grund warum der gleiche Kandidat gegenüber 2006 9% verliert.

19790126: Es gab sehr unterschiedliche Umfragewerte zum Wunsch der Wähler nach einer bestimmten (Koalitions)regierung vor der Wahl. Gibt es bereits Werte zu den Regierungskonstellationspräferenzen nach dem Ergebnis von gestern?

Christoph Hofinger: Ich kenne keine, aber die Parteien sollen die Regierungsbildung nicht unbedingt nach Umfragen ausrichten, sondern danach wofür sie gewählt worden sind und mit wem sie glauben das umsetzen zu können.

cesa frontul #1: Wie hoch beziffern Sie den Krone Effekt bei der SPÖ?

Christoph Hofinger: Relativ gering. Es gibt Hinweise in unseren Daten, dass im Endeffekt die ÖVP bei "nur - Krone - Lesern" etwas mehr verloren hat als sonst, das aber vorwiegend eher an Blau und Orange.

Stefan Tisza: Stefan Tisza: Wieso hat es keine der Kleinparteien (besonders LIF und Fritz) ins Parlament geschafft, obwohl suggeriert wurde, die Chance sei so groß wie noch nie?

Christoph Hofinger: Dass Dinkhauser es vermutlich nicht schafft, habe ich gleich nach der Tiroler Wahl vorhergesagt. Und er war auch nur kurz im Frühsommer in den Umfragen über der 4%-Marke. Dass beim LIF die Chance größer als in den 90er Jahren gewesen sein soll, wäre keine zulässige Interpretation der Umfragen vor der Wahl, die alle gesagt haben, dass es wenn überhaupt nur ganz knapp sich ausgeht.

nbergmann: Können sie ihre prognostizierten Veränderungen nach Wahlkarten kurz vorstellen.

Christoph Hofinger: Wir sehen uns in jedem Bundesland an, um wie viel mehr Wahlberechtigte eine Wahlkarte beantragt haben, dann legen wir die Trends der bereits ausgezählten Stimmen auf die sozusagen vergrößerte Wahlkartenwählerschaft der letzten Wahl an und kommen so zu einer Prognose.

Kristof Reinthaler: Mich würde interessieren, welche Einfluß das Medium Fernsehen gespielt hat, weil Jörg Haider hat in manchen Bundesländern gar keinen Wahlkampf geführt? Gibt es hier schon Daten. Und ist der Schluß den man aus dem Scheitern der Kleinparteien auch zie

Christoph Hofinger: Etwa 3/4 der Wahlberechtigten haben zumindest eine der TV-Diskussionen gesehen, die meisten mehrere davon. Es gilt als unbestritten, dass diese Debatten eine der Grundlagen für die Wahlentscheidung sind.

Django Plautus: Wie ist es möglich, dass schon bei der ersten Hochrechnung das Ergebnis fast schon das Endergebnis ist? Sie sind ja besser als Nostradamus.

Christoph Hofinger: Danke für das Kompliment, wir bereiten die Hochrechnung monatelang vor und bauen auf der Erfahrung von 20 Wahlsonntagen auf. Ein bisschen Glück ist immer dabei, wenn dann die Trends in den noch nicht ausgezählten Städten im Wesentlichen unseren Vorhersagen entsprechen.

ModeratorIn: Leider sind wir schon am Ende derZeit angekommen. Danke fürs Mitmachen - wir wünschen noch einen schönen Tag!

Christoph Hofinger: Liebe derStandard.at-UserInnen Danke für die spannenden Fragen. Es war mir ein großes Vergnügen.