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Wien  -  Mit einer Widmung des Gedichts "In Aegypten" begann im Juni 1948 nicht nur der 20 Jahre andauernde, oft stürmische, und noch öfter von Enttäuschung und Missverständnissen geprägte Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, sondern auch eine Liebe. Eine Liebe, die in der Literaturgeschichte bisher nicht viel mehr als ein wenig fassbarer Mythos, eine diffuse Ahnung war. Nun - 35 Jahre nach dem Tod Bachmanns am 17. Oktober - ist im Suhrkamp Verlag unter dem Titel "Herzzeit" der Briefwechsel erschienen, der neben allem Licht, den er in die Geschichte bringt, auch ein großes Dunkel offenbart.

Kluft zwischen Nazi-Tochter und jüdischem Dichter

Nach 196 Briefen, Widmungen und Telegrammen endet am 30. Juli 1967 - drei Jahre vor dem Tod Celans - eine Korrespondenz, die von Anziehung und Abstoßung, vor allem aber von Unsicherheit über das eigene Ich, die Literatur und den Betrieb an sich geprägt ist. Und nicht zuletzt von der unüberwindbaren Kluft zwischen der Tochter eines Nazis und dem jüdischen Dichter, dessen Eltern im KZ ermordet wurden und der selbst ein Arbeitslager überlebte. Als würde sie diese Tatsache als persönliche Schuld begreifen, hört Bachmann nie auf, sich für Celans Werk einzusetzen, Veröffentlichungen, Lesungen und Übersetzungen zu erwirken, um Celans Schaffen Raum zu geben.

Auch Frauen schrieben sich

Der letzte Brief Bachmanns datiert vom 5. Dezember 1961. Was bleibt, sind die wenigen Briefe, die Celans Exfrau und Witwe Gisele Celan-Lestrange nach dessen Tod am 20. April 1970 an Bachmann geschrieben hat, immer wieder mit Verweisen auf Blumensendungen oder Anrufe Bachmanns. Der letzte Brief von Gisele Celan-Lestrange datiert vom 2. Jänner 1972. Damit endet ein seit 1957 währender Austausch jener beiden Frauen, mit denen Celan weder leben, noch auf ihre Gegenwart verzichten konnte. Die sehr respekt- und liebevollen Briefe dokumentieren das große Leiden einer betrogenen Ehefrau, die zugleich Bewunderung und Mitgefühl für die Liebe empfand, die Bachmann und Celan immer wieder aufflammen ließen.

Während hier die Gefühle und Ängste rund um die Liebe im Zentrum stehen, veranschaulicht der ebenfalls abgedruckte, zweieinhalb Jahre währende Briefwechsel zwischen Celan und Max Frisch vielmehr die politischen Umstände, unter denen der Jude Celan zeitlebens zu leiden hatte. Zentrum bildet die "Hitlerei", die als antisemitisch empfundene "Sprachgewitter"-Rezension von Günter Blöcker 1959 und schließlich die Plagiatsvorwürfe - bekannt als "Goll-Affäre".

Umrahmt, aber nicht eingeengt wird die Flut an Korrespondenz von einem mehr als 150 Seiten fassenden Anhang der Herausgeber, der neben ausführlichen Stellenkommentaren fundiert den Briefwechsel in Biografie und Werk dieser beiden großen Dichter des 20. Jahrhunderts einbettet und so das Lesen, ein wenig auch das Verstehen dieses gewaltigen Dokuments erleichtert. (APA)