Will mehr Licht ins Dunkel von Angebot und Nachfrage auf den Rohölmärkten bringen und erhofft sich dadurch eine dämpfende Wirkung auf die Ölpreise: der britische Energieminister Malcolm Wicks. 

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Der Börsenabsturz hat auch die Ölpreise mitgerissen. Kein Grund zur Freude für den britischen Energieminister Malcolm Wicks. Warum dem so ist und wieso Atomkraft gut sein soll, erfragte Günther Strobl.

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STANDARD: An den Börsen werden unvorstellbare Summen verbrannt. Manche sagen, das habe auch sein Gutes, endlich gebe der Rohölpreis deutlich nach. Was sagen Sie?

Wicks: Es gibt weniger radikale Methoden, auf die Rohölpreise dämpfend einzuwirken als dies nun durch den Schock an den internationalen Finanzmärkten der Fall ist. Dazu gehört mehr Transparenz bei Angebot und Nachfrage. Deshalb ist ein intensiverer Dialog zwischen Erdöl produzierenden und konsumierenden Ländern nötig.

STANDARD: Die Menschen sind verängstigt. Sie haben gedacht, die Banken seien sicher.

Wicks: Das sind sie ja auch, zumindest bei uns. Die Politik hat rasch reagiert und helfend eingegriffen, wo es notwendig war.

STANDARD: Wie beeinflusst die Finanzkrise die Energiemärkte?

Wicks: Nur indirekt. Als das Fass Rohöl im Sommer fast 150 Dollar gekostet hat, gab es auch schon Sorgen, die Weltwirtschaft könnte nachhaltig Schaden nehmen. Premier Gordon Brown hat dann die führenden Repräsentanten aus den Verbraucher- und Produzentenländern für 19. Dezember zu einer Konferenz nach London eingeladen. Die Einladung ist aufrecht. Das Treffen soll dazu dienen, die Situation besser zu verstehen.

STANDARD: War Energie zu lange zu billig?

Wicks: Wenn man die Rohölnotierungen hernimmt, die es in den 1990er-Jahren und auch noch zu Beginn dieses Jahrtausends gegeben hat, trifft das zu. Aber was ist teuer, was billig? Während die einen das jetzige Preisniveau problemlos verkraften, leiden Haushalte mit niedrigem Einkommen enorm. Insbesondere für ältere Menschen stellt sich die Frage, wie sie im Winter ihre Wohnungen warm bekommen. Aus Klimagesichtspunkten sind hohe Preise gut, weil sparsamer mit Energie umgegangen wird und der CO2-Ausstoß sinkt. Aus den vorher genannten Gründen hat bei uns Energieeffizienz Priorität vor hohen Preisen.

STANDARD: Die Internationale Energieagentur hat ihre Prognose für den weltweiten Rohölverbrauch gesenkt - nicht zuletzt, weil mit einer deutlichen Verlangsamung der Weltwirtschaft gerechnet wird. Wird das den Preis für Rohöl drücken?

Wicks: Ich bin Energieminister, nicht Prophet. Mit Prognosen kann man nur falsch liegen.

STANDARD: Sie unterstützen den Ausbau erneuerbarer Energien, sind gleichzeitig aber auch pro Atomkraft. Ist das nicht ein Widerspruch?

Wicks: Ich liebe Äpfel, esse aber auch Birnen sehr gerne. Beides ist möglich. Das gilt auch für den Energiebereich. Wir brauchen das eine und das andere. Im Gegensatz zu Österreich verfügt Großbritannien nur über wenig Wasserkraft. Wenn wir den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion im Einklang mit EU-Richtlinien bis 2020 von derzeit fünf auf 15 Prozent erhöhen wollen, können wir auf den Ausbau der Atomkraft nicht verzichten. Darüber hinaus haben wir vor, den CO2-Ausstoß bis 2050 um 60 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Ohne Atomkraft ist das schlicht nicht möglich.

STANDARD: Sollte Brüssel in Energiefragen mehr Kompetenzen haben?

Wicks: Ja und nein. Ja, wenn es darum geht, eine gemeinsame Energiestrategie für Europa zu entwickeln. Dazu gehört auch eine gemeinsame Haltung gegenüber Russland. Nein, wenn es um den Energiemix geht, den jedes Land weiterhin für sich allein definieren können soll. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2008)