Foto: Tobis

Wenn man nur begrenzt weiß, was man tut: George Clooney und Brad Pitt demonstrieren in "Burn After Reading" komisches Talent.

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Wien - Irgendwann hat jeder einmal genug. Irgendwann ertappt Ozzie Cox (John Malkovich) in seinem zum Büro ausgeweiteten Keller einen Dieb auf frischer Tat. Der CIA-Insider, der wegen Alkoholproblemen vorzeitig in den Ruhestand musste, kann es nicht glauben. Seine Nerven liegen blank. Zum wiederholten Mal in diesem Film verliert er die Fassung, sieht er sich doch im Zentrum einer unermesslichen Verschwörung. Nein, keine der politischen Sorte. In verschlungenen Sätzen macht er dem überraschten Eindringling klar, dass ihn eine regelrechte "Liga der Idiotie" traktiere. Und dann schießt er auf ihn.

Burn After Reading, der neue Film der Regiebrüder Joel und Ethan Coen, besteht im Grunde aus einer einzigen Kette von Missverständnissen. Beispielsweise ist es fast unmöglich, die vielen absurden Wendungen nachzuzeichnen, die zu der eingangs beschriebenen Szene führen. Wichtiger ist ohnehin der Effekt: die Komik, die aus einem wunderbaren Sinn für Timing resultiert; und die Freude am Idiotischen, die aus diesem Film strahlt und die man bei den Coens nicht mit Zynismus verwechseln sollte. Ihre Figuren sind zwar hemmungslos unbedarft. Doch die Art und Weise, wie sie durchs Leben stolpern, sich abrackern und kämpfen, macht sie auch liebenswert.

Nach dem Erfolg mit ihrer düsteren Cormac-McCarthy-Verfilmung No Country For Old Men hatten die Regiebrüder offenbar viel Spaß daran, eine leichtgewichtige Komödie zu drehen. Beim Journalistengespräch, bei dem sie sich launisch und wortkarg geben, sprechen sie von Burn After Reading als ihrem ersten "Blockbuster" - tatsächlich schaffte er es an die Spitze der US-Kino-Charts. "Wir sind von den Schauspielern ausgegangen und haben die Geschichte um sie herum entwickelt", erzählt Joel Coen. Und so muss man sich den Film auch vorstellen - als Versuch, Stars wie George Clooney, Brad Pitt, Tilda Swinton, John Malkovich und Frances McDormand in Rollen zu stecken, in denen sie lustvoll dümmlich gegen ihr übliches Profil anspielen.

Eine CD gegen Facelifting

Die Geschichte ist nichts anderes als das Resultat des erratischen Zusammenwirkens der Personen. Das Objekt, das alles im Laufen hält - ein klassischer MacGuffin -, ist eine CD mit angeblich hochbrisanten Infos der CIA. Ozzie Cox, der geschasste Agent, hat sie im Fitnesscenter verloren. Dort findet sie die Angestellte Linda Litzke (Frances McDormand) - die Namen der Protagonisten sind mit Sinn für Lautmalerei gewählt - und betrachtet sie als geeignete Geldquelle für ihre heiß ersehnten kosmetischen Operationen.

Nur so viel mehr: Die Erpressungsversuche, die sie mit dem Trainer Chad (Brad Pitt) - einem dauerlächelnden 80er-Jahre-Relikt mit Föhnfrisur - durchzuführen versucht, sind hartnäckig, aber nur wenig von Erfolgen gekrönt. Burn After Reading ist aber nicht nur eine Satire auf die Imitationen eines aufregenderen Lebens, die recht durchschnittliche Menschen in den Radar von minderbemittelten CIA-Agenten führt.

Die Coen-Brüder widmen sich auch ausgiebig der Gegenseite, der Mittelstandsmisere von Ozzie Cox und seiner Frau Katie (Tilda Swinton). Die unausgesprochenen Geheimnisse und Betrügereien finden hier im Privaten statt. Katie beispielsweise schläft mit Harry Pfarrer (George Clooney), einem schmierig-charmanten Regierungsbeamten, der in seinem Keller klammheimlich eine Masturbationsmaschine baut.

Es sind die alltäglichen Verschleißerscheinungen des postindustriellen Lebensstils, die sich in solchen Ersatzhandlungen ausdrücken. Die Coen-Brüder greifen sie auf und kehren sie mit hysterischer Note nach außen. Mehr denn je würdigen sie dabei die kleinen Macken ihrer Figuren, die ratlos auf ihr Leben blicken und mit großer Energie fast immer das Falsche tun. Wobei es - anders als in früheren Arbeiten - weit weniger ironischer Brechungen bedarf. Trotz seiner vertrackten Anordnung ist Burn After Reading die bisher klassischste Gagmaschine der Coens.

"Was haben wir daraus gelernt?", fragt am Ende des Films einer der CIA-Agenten, der über das Geschehen nie den Überblick gewinnen konnte. Das ist natürlich ein aufgelegter Witz. Der komische Fatalismus dieses Films liegt darin, dass er mehr Tote als Bekehrte hinterlässt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 01.10.2008)