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"Danke, Dick" würden Mitarbeiter seit der Lehman-Pleite wohl nicht mehr auf ein Porträt ihres Chefs Richard Fuld kritzeln.

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Palo Alto - Abstrakte Zeichnungen russischer Künstler werden selten in einem Atemzug mit bankrotten Bankhäusern genannt. Doch eine im November anstehende Auktion bei Christie's von 16 Zeichnungen, darunter die "Studie der Agonie I" von Arshile Gorky aus dem Jahr 1946, macht genau aus diesem Grund Schlagzeilen - nicht nur ob des treffenden Titels.

Beim Verkäufer handelt es sich um niemand geringeren als Richard Fuld, den langjährigen Chef von Lehman Brothers. Fulds Frau Kathy ist eifrige Sammlerin moderner Kunst und hat die Werke im August zum Verkauf angeboten, wenige Wochen bevor das 158 Jahre alte Investmenthaus zur Pannenbank in der Finanzkrise und unter Gläubigerschutz gestellt wurde. Auch wenn die Fulds betonen, dass die zeitliche Nähe zwischen Auktion und Lehman-Bankrotterklärung zufällig sei, entbehrt das Ganze nicht einer gewissen Ironie - hat sich Kathy Fuld doch bislang selten von Stücken aus ihrer reichhaltigen Sammlung getrennt. Der Ertrag der Auktion soll bei immerhin 15 bis 20 Millionen Dollar (10,5 bis 14 Mio. Euro) liegen.

Tiefer Fall

So oder so, die größte Bankenpleite in der Geschichte der USA - Lehman Brothers ist mit 613 Milliarden Dollar in der Kreide - hinterlässt ihre Spuren auch in Fulds Haushaltskasse. Im Februar 2007, als die Lehman-Aktie bei 86 Dollar notierte, war Fulds Vermögen 994 Millionen Dollar schwer. Nun sind die Aktien gerade noch 30 Cents wert.

Richard Fuld ist nicht der einzige Lehman-Manager, der sich von einem Anlagegut trennt. Der ehemalige Lehman-Präsident Joe Gregory, verkauft seine Sommerresidenz in den Hamptons - Wert: 32,2 Millionen Dollar. Auch seinen Hubschrauber wurde er bereits los.

Tränen über Fulds Verlust werden die wenigsten Amerikaner vergießen. Er hat seine Schäfchen über die Jahre ins Trockene gebracht. Zwischen 2003 und 2007 machte er knapp 140 Millionen Dollar Gewinn durch Aktienverkäufe. Allein im vergangenen Jahr erhielt er neben seinem Gehalt einen Bonus in Höhe von 22 Millionen Dollar. Die Fulds besitzen ein Haus in der Reichenenklave Greenwich in Connecticut neben einem 21 Millionen Dollar teuren Apartment in New York sowie drei Häusern in Vermont, in Sun Valley, Idaho und in Florida.

Es ist der übliche Reichtum der Wall-Street-Tycoons, die in den vergangenen Jahren zu den bestbezahlten Managern der Welt aufstiegen. Nach Zahlen von "United for a Fair Economy", einer gemeinnützigen Organisation in Boston, wurden die "Masters of the Universe" im Vorjahr mit durchschnittlich 10,5 Millionen Dollar entlohnt.

Insgesamt bezahlten die fünf größten und allesamt ins Straucheln geratenen Investmentbanken - Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch, Lehman Brothers und Bear Stearns - ihren Top-Managern in den vergangenen fünf Jahren drei Milliarden Dollar.

Häupter in Öl

Am großzügigsten war Merrill Lynch, die nach dem Kollaps Mitte September von der Bank of America erstanden wurde. CEO Stanley O'Neal kassierte zwischen 2003 und 2007 satte 172 Millionen Dollar. Noch schneller reich wurde John Thain. Die Entschädigung für den Nachfolger des geschassten O'Neal: 83 Millionen Dollar für weniger als ein Jahr Arbeit. Anders ausgedrückt: ein CEO an der Wall Street verdiente 275-mal mehr als der Durchschnittsamerikaner. Noch in den 70er-Jahren war es gerade 35-mal soviel.

Doch auch weniger gehobene Angestellte wurden nicht vergessen. Insgesamt bezahlten Goldman Sachs und Co ihren 185.000 Beschäftigten im vergangenen Jahr 66 Milliarden Dollar, davon 39 Milliarden in Form von Boni - zu Zeiten, als die Subprime-Krise bereits ihr hässliches Haupt reckte.

Das Finanzdebakel macht Richard Fuld nun sogar selbst zum Objekt der Kunst. Maler Geoffrey Raymond, der sich auf gefallene Wall-Street-Titanen spezialisiert, hat Fuld bereits in Öl verewigt, mit eingesunkenen Augen und gelbstichigem Gesicht. Das Symbol für "Gier und Arroganz" hofft er für mindestens 10.000 Dollar zu versteigern. (Rita Neubauer, DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2008)