Nicht nur marode Balkone - das ganze Haus Nummer 70 in der Leopoldauer Straße in Floridsdorf muss saniert werden. Wiener Wohnen hat nicht genügend Rücklagen gebildet.

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Wien - Maria L. wohnt seit 37 Jahren in der Leopoldauer Straße 70. Sie hat dort drei Kinder großgezogen, und ihre Freunde wohnen ebenfalls dort. Die Pfarre und der Friedhof, auf dem ihr Mann seit drei Jahren begraben liegt, sind auch in der Nähe. Doch bald wird sie sich die Miete ihrer 83 Quadratmeter großen Wohnung nicht mehr leisten können.

Der Grund ist eine aufwändige Sanierung des renovierungsbedürftigen Hauses mit 282 Wohnungen. Ab Oktober soll die Miete nicht mehr wie bisher 341 Euro, sondern 637 Euro betragen. "Vielen älteren Menschen in diesem Gemeindebau geht es ähnlich. Sie sind mit den hohen Kosten überfahren worden und wissen nicht, wie es weitergehen soll", sagt die Tochter von Maria L. zum Standard.

Die städtische Hausverwaltung Wiener Wohnen habe ihrer Mutter geraten, eine kleinere Wohnung zu suchen, erzählt die Frau. Wohnbeihilfe (in der MA50 ) und Mietzinsbeihilfe (beim Finanzamt) könne ihre Mutter nicht beziehen, weil sie mit ihrer eigenen und der Witwenpension gerade knapp über der Fördergrenze liegt.

Frau L.s Tochter empört, dass die Mieter erst kurzfristig über die die Mieterhöhung informiert worden waren. Einige Maßnahmen im Haus seien schon im April gesetzt worden. Beispielsweise wurden die maroden Balkone, die bereits abbröckeln, schon im April abgesperrt. Die Sanierung soll im Frühjahr 2009 beginnen. Der Brief der Schlichtungsstelle (MA50), in dem die Mieter informiert wurden, wie viel sie ab Oktober zahlen sollen, sei erst am September gekommen.

Die Schlichtungsstelle wird eingeschaltet, wenn Mieten angehoben werden müssen. Die unabhängige Stelle klärt, ob eine Erhöhung, wie in diesem Fall bei der Haussanierung, gerechtfertigt ist. Gegen die Entscheidung können die Mieter Einspruch erheben. "Das ist nicht erfolgt", sagt Marion Winkler von der MA 50.

In der Leopoldauer Straße müssen die Mieter einen Teil der Kosten zahlen, weil zu geringe Rücklagen gebildet wurden - laut Wiener Wohnen wegen der niedrigen Mieten. Gesetzlich verpflichtet, ausreichend Rücklagen zu bilden, damit die Mieter nicht draufzahlen müssen, ist Wiener Wohnen nicht. "Wenn wir hohe Rücklagen bilden würden, dann wäre es kein sozialer Wohnbau mehr", sagt Hanno Csisinko, Sprecher von Wohnabustadtrat Michael Ludwig (SP). Es wäre auch nicht vertretbar, Gemeindebausanierungen zulasten der Wiener Steuerzahler durchzuführen.

Kein Topf für alle

Laut Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung, sei es legitim, auf maximal zehn Jahre die Miete zu erhöhen, damit das Darlehen zurückbezahlt werden kann. Ab dann sollte die Miete wieder gleich hoch sein wie vor der Sanierung. "Querfinanzierungen sind nicht mehr erlaubt. Jede Wohnhausanlage ist eine wirtschaftliche Einheit. Sprich: Ein Gemeindebau darf nicht auf Kosten eines anderen saniert werden".

Die Erklärungen helfen Maria L. wenig. Sie hofft nun, dass sie mit Wiener Wohnen eine Lösung finden wird. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD Printausgabe, 01.10.2008)