Eine produktive Wechselwirkung: Norman Bates’ Haus in Alfred Hitchcocks Filmklassiker "Psycho"  wurde nach Edward Hoppers Bild "House by the Railroad"  modelliert.

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Edward Hoppers Lebens- und Schaffenszeit fällt zusammen mit der klassischen Periode des Hollywoodkinos. Die amerikanischen Archetypen, die sich in seinen Bildern finden, haben auch in den Filmen dieser Zeit einen privilegierten Platz. Eines seiner berühmtesten Gemälde, Nighthawks (1942), zeigt einsame Gestalten in einem nächtlichen Eckdiner, aus dem das Licht wohlig auf die dunkle Straße leuchtet. Ein letzter Hort der Ruhe im Dickicht der Stadt.

Man muss nicht lang suchen, um in den Bilderwelten des Film noir aus den 40er-Jahren auf ähnliche Motive zu treffen. Der Hintergrund dafür ist wohl eher ein sozialer als ein ästhetischer: Die Filmwissenschafterin Vivian Sobchack schreibt von der "lounge time" , einer veränderten Zeitlichkeit der Nachkriegszeit, die sich vor allem an öffentlichen Räumen manifestierte. In der aufkommenden Konsumgesellschaft wurden die Diners, Bars und Lounges der Stadt eine Art Ersatzort zum krisengeschüttelten Heim.

Orte voll Ambiguität

In Hoppers Gemälden sind sie überall zu sehen, diese Warteräume, die er bevorzugt in einer Stimmung porträtiert, die Filmmacher die "magic hour" nennen - jene kurzen Stunden des Tages, in denen die Sonne tief steht und alles in ein nostalgisches Licht taucht. Die Ambiguität dieser Orte ist bei ihm nur sanft angedeutet. Das Kino dagegen neigt zu Deutlichkeit: In Robert Siodmaks The Killers (1946) ist das Diner kein Platz, an dem man lange ausharren möchte. Ein Büro wie in Hoppers Office at Night (1940) kündet von einer gleichförmigen Arbeitswelt, die Filme wie John Hustons Spur des Falken dann dämonisch aufluden. Alfred Hitchcock wiederum nahm Hoppers House by the Railroad (1921) zum Vorbild für jenes, in dem Norman Bates seiner Mutter so hörig ist.

Schon letzteres Beispiel zeigt, dass Hoppers Wirkkraft auf das Kino nachhaltig war. Wim Wenders hat seine Amerikabilder an Hoppers Gemälden orientiert - die stilisierten Schauplätze, mit ihrem Hang zum Surrealen, kündeten in den späten 60ern bereits von einer vergangenen Ära. Auch in den Filmen von Jim Jarmusch, in Permanent Vacation und Stranger than Paradise, finden sich Anleihen an Hopper, wobei die streng kadrierten Räume mittlerweile von einer neuen Generation von Tagedieben bevölkert werden.

Man könnte gar so weit gehen, von einer Ästhetik der Versunkenheit zu sprechen, die das Kino längst global kultiviert. Die charakteristisch vereinsamten Existenzen in spärlichem Ambiente finden sich auch im asiatischen Film wieder, in den Filmen von Wong Kar-wei oder Tsai Ming-liang.

Hoppers Bilder sind weit gereist - einverleibt in eine kollektive Bilderwelt, wo sie in einer endlosen Warteschleife ausharren. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.10.2008)