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Drachentor in London: In Wien wäre ein solches China-Symbol fehl am Platz, meinen Wiener Bezirkspolitiker.

 

Foto: Corbis / Julia Waterlow

Die Bezirksvorstehung beharrt auf ihrem Nein.

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Wien - "Passen tät des auf kan Fall", sagt Günter Fischer, Inhaber des Fleisch-Wurst-Imbisses in der Kettenbrückengasse 11 im fünften Wiener Gemeindebezirk. Mit den chinesischen Geschäftsbetreibern in der Nachbarschaft komme er "guat aus", auch persönliche Kontakte zu ihnen habe er. Aber ein Drachentor am Gasseneingang? "Naa!", stellt Fischer beim Wurstschneiden hinter der Geschäftsbudel klar.

Auch der Antiquitätenhändler Sergio Djordjevic, Besitzer von "Sergio Antiques - Fine Arts" auf Nummer 12 und Angelika Strobl, Mitarbeiterin der Boutique Anna Stein auf Nummer 19, sind skeptisch, ob das Symbol einer Chinatown hier richtig am Platz wäre: "Wir haben doch eher eine Staatenvielfalt!", verweist Strobl auf die Pizzeria zwei Häuser weiter und das italienische Kaffeegeschäft gegenüber.

Doch in der schmalen, belebten Querverbindung zur Rechten Wienzeile und ihren Hinterhöfen haben sich in den vergangenen Jahren auch etliche Chinalokale und -importeure angesiedelt. So viele, dass Gan Wang, Inhaber der chinesischen Buchhandlung auf Nummer 22, gemeinsam mit Landsleuten im vergangenen Sommer auf die Idee kam, "hier ein architektonisches Wahrzeichen der chinesischen Kultur zu platzieren". Das Geld dafür - "rund 200.000 Euro" - könne "sicher großteils durch Spenden aufgebracht werden", versicherte er.

Anziehungspunkt für Chinesen

"Für reisende Chinesen wäre ein solches Tor ein Anziehungspunkt in Naschmarktnähe, wo es eine Vielzahl asiatischer Geschäfte gibt", erklärt Wang im Standard-Gespräch. Außerdem: "Chinatowns gibt es in ganz Europa und auf der ganzen Welt. Nur in Österreich und Deutschland hieß es zuletzt immer: 'Zu uns passt so etwas nicht.'"

Tatsächlich blickt die Ansiedlung von Chinesen außerhalb Chinas in eigenen Straßen auf eine lange Tradition zurück: Vor 300 Jahren wurde die erste Chinatown im japanischen Nagasaki, vor 200 Jahren im thailändischen Bangkok, vor rund 150 Jahren in San Francisco gegründet. In London gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Chinesenviertel, in Hamburgs St. Pauli ein kleines vor dem Zweiten Weltkrieg, dessen Bewohner von den Nazis vertrieben und deportiert wurden.

Die zunehmende Mobilität hat in den vergangenen Jahren chinesische Ansiedlungen auch in kleineren Städten wie Mailand oder Budapest entstehen lassen. Dennoch ist Kurt Wimmer, SP-Bezirksvorsteher von Wien fünf, "davon überzeugt, dass Wien für eine Chinatown nicht groß genug ist". Das Stadtbild, so meint er, solle sich "nicht in eine einzige ethnische Richtung" orientieren. Auch Susanne Reichard, VP-Bezirkschefin von Wien vier - jenem Bezirk, an den die Kettenbrückengasse grenzt - zieht "im Sinne der Integrationspolitik dem Drachentor ethnische Vielfalt vor".

Buchhandlungsbesitzer Wang kennt diese Einwände. Doch er versteht eines nicht: "Warum sieht niemand, dass eine Chinatown beim Naschmarkt gute Geschäfte für Wien brächte?"(Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 08.10.2008)