Die Banken kämpfen in Zeiten der Finanzkrise um Anleger. Die Österreicher parken ihr Geld derzeit jedoch am liebsten in Sparbüchern

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Wien/Graz/Linz/Salzburg/Klagenfurt/ Bregenz/Innsbruck - In der Bundesfinanzierungsagentur in der Wiener Seilerstätte herrscht Hochbetrieb. Ein älterer Herr löst sich aus der Schlange der Wartenden. Er sei dabei, sein Geld auf Bundesschatzscheine der Republik Österreich umzuschichten, erläutert er. Dann ist das Gespräch auch schon beendet, die Journalistin des Standard wird von Angestellten hinauskomplimentiert: "Ohne Genehmigung keine Interviews." Für eine Stellungnahme war die Agentur später auch offiziell nicht erreichbar.

Eine Pensionistin vor dem Gebäude kümmern die neuerdings in der Staatsagentur üblichen Gepflogenheiten wenig. Sie sei dabei, einen Teil ihres Geldes dorthin zu transferieren, sagt sie. Sie habe ihr Erspartes bereits vor Monaten gesplittet. "Es war absehbar, dass da was kommen wird. Ich will mein Geld auf mehrere Standbeine verteilt wissen." Dass Österreich nun die unbegrenzte Garantie für Spareinlagen einführt, beruhige. Es ändere jedoch nichts daran, dass das Vertrauen in die Banken nachhaltig gestört sei, meint sie.

"Die Krise ist da, sie hat mich einiges gekostet", schnaubt ein junger Wiener, der mit Kinderwagen eine Raiffeisen-Filiale in der Kärntner Straße verlässt. Ein Student, er hat einen Kontrabass geschultert, gewinnt ihr hingegen auch Gutes ab. "Sie schafft neue, bessere Werte." Im Übrigen habe er von Banken noch nie viel gehalten. Apokalyptisch formuliert es ein Kunde der DenizBank am Ring. "Ich habe erwartet, dass das System zusammenbricht, und es wird noch schlimmer kommen." Er vertraue Banken nicht, wickle nur Geldtransfers ab. Nachsatz: "Ich bin Kommunist."

Vor einem Wiener Nobelhotel debattiert eine Gruppe Taxler über die Talfahrt der Börsen. Er höre von seinen Kunden, dass sie ihr Geld aus Fonds abzogen, um es in Immobilien zu investieren, erzählt einer unter ihnen, während er sich über die offene Motorhaube beugt.

Eigentlich kenne sie sich bei Aktien nicht aus, sie sei immer schon skeptisch gewesen, sagt eine Angestellte, ehe sie die Bank-Austria-Filiale betritt. Ein Freund habe ihr dazu geraten. Neuer Tipp des Freundes: durchtauchen. Daher warte sie ab. In der Innenstadtfiliale der Erste Bank verzeichnet der Mitarbeiter am Empfang "schon eine höhere Zahl von Kunden als normal". "Manche sind verunsichert, aber das wird sich legen", meint er. Ein Kunde um die 50 verlässt die Filiale mit zwei neuen Sparbüchern. Er habe umgeschichtet, erzählt er. Bis die neue Einlagensicherung greife, dauere es vielleicht Wochen. "Wer weiß, was bis dahin noch passiert."

Erste-Bank-Sprecher Peter Thier: "Es gibt derzeit unglaublichen Run auf Sparbücher in jeglicher Form. Das Sparvolumen ist um zehn Prozent höher." Das sei auf hohe Sparzinsen zurückzuführen, aber auch auf Umschichtungen von Geldern. Die Bank erlebe zudem eine starke Nachfrage nach Edelmetall. "Wir mussten in unserer Filiale am Graben sogar die Bestände an Goldbarren aufstocken. Viele Kunden tragen das gleich in den Tresor."

Einige Schritte von einer Grazer Bank entfernt am Eisernen Tor legt ein Mann eine Pause auf der Parkbank ein. Er hab keine Angst, sagt er und blinzelt in die Sonne, "ich sehe die Krise gelassen". Er sei selbstständig, fühle sich in Österreich sicher. "Ich habe einen gemischten Fonds, den sitz ich aus." Mit Ansparvarianten könne man ohnehin billiger einkaufen. Nüchterner Kommentar einer Dame im wollenen Kostüm im Institut in der Hofgasse: "Ich hab kein Geld, also brauch ich keine Angst haben."

"Mich betrifft die Krise nicht, ich hab nicht viel", sagt auch eine Pflegehelferin vor der Sparkasse Bregenz. "Aber ich arbeite mit alten Menschen, weiß, dass viele Angst haben, ihr Erspartes zu verlieren." Es fehle an Informationen, "was sie übers Fernsehen mitbekommen, verstehen sie nicht". Keine Sorgen macht sich eine Jungunternehmerin und Raiffeisenkundin: "Kreditzinsen werden steigen, da mache ich mir keine Illusionen. Aber die Realwirtschaft steht gut da."

In der Salzburger Filiale der Hy- po-Alpe-Adria fragen viele Kunden nach der Zukunft der Münchener Hypo Real Estate. Eine Kundenbetreuerin muss den "namensbedingten Irrtum" immer wieder aufklären: 2007 habe die Bayerische Landesbank 50 Prozent plus eine Aktie der Hypo-Alpe-Adria gekauft, "mit der bayerischen Hypo Real Estate Holding hat die BayernLB nichts zu tun". Verunsichert zeigt sich ein Unternehmer, der eben seine Hausbank am Ennser Hauptplatz verlässt. Er habe an der Börse schon verloren, deshalb habe er jetzt sein Erspartes umgeschichtet. "Einen Teil habe ich abgehoben, Gold gekauft und den Rest gesplittet." Er fühle er sich von seinen Banken schlecht beraten; was sollte er etwa mit Voest-Aktien tun?

Gemischte Gefühle zeigt ein Lokalaugenschein in Klagenfurt. "Genauso hat es in den Dreißigerjahren angefangen. Meine Eltern hatten ihr Geld auf mehrere Sparbücher verteilt, dann war die Inflation und alles war weg", klagt eine betagte Kundin der Bank für Kärnten und Steiermark. Anders sieht die Krise ein Kunde der Hypo Alpe Adria: "Wenn ich mehr Geld hätte, ich würde jetzt in Aktien investieren, etwa in Voest oder Andritz." Die seien nun billig zu haben. Die Börsen drehten schließlich wieder, "und dann kann man mit der Krise satte Gewinne machen." (vk, kol, mue, ker, stein, jub, ver, neu, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2008)