Paul Weller live: biestig, nervig, soulig, super.

Foto: Christian Fischer

Wien - Das Stroboskoplicht, das von der goldbesetzten Stuckatur an der Decke des Saals reflektiert wird - das kann was. Mitten drinnen ein Riesenluster - auch nicht schlecht. Die Bestuhlung? Weggeräumt. Bis auf die Sitze am Rand. Vom Ambiente her war das Paul-Weller- Konzert am Montag im Konzerthaus nicht zu überbieten. Nicht hierzulande. Anderswo werden alte Theater oder ähnliche Säle dauerhaft oder immer wieder mit Popmusik bespielt. In Wien lautet das Urteil ab einer gewissen Größe Gasometer oder Stadthalle. Hallo Musiknation!

Auf der Bühne des Saals stand Paul Weller. Er war super, und er nervte. Das schließt sich insofern nicht aus, als der Mann die Reputation besitzt, tendenziell unter Druck zu stehen. Diesen Wesenszug, den neben harschen Riffs auch hektisch inhalierte Zigaretten verdeutlichten, nützte der 50-jährige Brite schon Mitte der 1970er, als er in England seine Vorliebe für Sixties-Rock (The Who! The Kinks!) mit der Aufbruchsstimmung von Punk kurzschloss und mit The Jam eine erste erfolgreiche Karriere durchlebte.

Es folgte eine zweite mit den Soul-Poppern The Style Council, seit den 1990ern ist er als Solokünstler erfolgreich, ja, auf der Insel ist er längst ein Hausheiliger des Pop. Verehrt von ewigen Mods ebenso wie von Kollegen, wie etwa den Gallagher-Brüdern von Oasis.

Die ewigen Mods von Wien, die waren montags auch zugegen. Zwar kommen diese längst nicht mehr mit der Vespa, sondern rollern mit der U-Bahn an, und die Frisuren werden mit dem Ausdünnen des Haupthaares auch nicht würdevoller. Aber dem Ruf eines diesbezüglich anderen Unbeirrbaren folgen sie blind.

Wellers großes Talent besteht in der Verknüpfung von melodieseligem Rock samt Kanten mit sanfteren, abgefederten Soulklängen, die live die obligatorische Hammondorgel beisteuerte. Dazu gab's Bläser aus dem Synthesizer. Sie erdeten den zappeligen Silberfuchs, den sonst nicht einmal der akustische Mittelteil des Konzerts beruhigt. So etwas wie Ruhe fand Weller erstmals an diesem Abend, als er sich ans Klavier setzte und One Bright Star intonierte. Formal ein Bastard aus Tango und Flamenco, inhaltlich eine glühende Liebeserklärung mit eher bescheidenem Text, der aus Wellers heuer erschienenem Album 22 Dreams stammt, auf dem der Getriebene ein wenig übers Älterwerden reflektiert.

Im Konzert reüssierte er mit solchen Stücken weniger. Sein Publikum will von ihm, der, wenn er zu ruppig wird, leider auch an Joe Cocker erinnert, gut im Saft stehende Songs wie das anrührende All I Wanna Do (Is Be With You). Es will angestochene Hits wie From The Floor Boards Up. Es will eingängigen Soulrock wie Come On/Let's Go. Weller reichte all das und noch mehr aus seinem üppigen Fundus namens Lebenswerk.

Weller im Konzerthaus, das passte als Treffen zweier Institutionen. Einmal altehrwürdiges Gemäuer. Einmal ein ewig biestiger Rock'n'Roller, der es sich und seinem Publikum nicht immer leicht macht. Altersmilde? Fuck off! Solange ihm die Haare nicht ausgehen, wird er auf der Bühne stehen und dort Paul Weller sein.

Ein bisserl affig, ein bisserl nervig, immer authentisch. Ein kleiner Großer, ein großer Kleiner. Je nach Tagesverfassung. Je nach Laune des Meisters. (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 10. 2008)