Die New Yorker Band Animal Collective zählt mit ihren freundlichen Freakout-Sounds gegenwärtig zur internationalen Speerspitze der Pop-Avantgarde zwischen Beach Boys und Lärm.

 

 

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Avey Tare

Foto: AP //Jason DeCrow

Wien - Das Animal Collective gilt als eine der besten Bands der Welt. Kaum ein Musikmagazin, das die aus Baltimore, Maryland, stammende, hauptsächlich von New York aus operierende Gruppe in den vergangenen Jahren nicht mit Lob bedacht hätte. Man hat es sich mittlerweile in der Musikgeschichte wohlig eingerichtet, wirbelt fröhlich die Stile durcheinander - und man begeht dabei nie den Kardinalfehler vieler Kollegen, die popkulturelle Referenz als bloße offensiv-schlaue Geste einzusetzen.

Animal Collective gilt als Ensemble, das sich von Platte zu Platte neu erfindet. Da konnten dann oft Japan-Noise, Beach-Boys-Harmonien, Krautrock, holzmodriger Lagerfeuer-Folk oder Ambient aneinandergeraten. Das Animal Collective hat in diesem Graubereich längst schon den Weg vom Zitat zur eigenen Identität gefunden. Am Mittwoch war das in der Arena nachzuprüfen.

Das On/Off-Mitglied Deakin scheint eine lange Auszeit zu nehmen; also verdeutlichen die Herren Avey Tare, Panda Bear und Geologist in aktuell stabiler Dreierbesetzung, dass es gar großartig klingen kann, wenn sich ein bisschen Popprofessionalismus einstmals wilder Herumprobierer bemächtigt; Der von Elektronik getragene, psychedelische Cut-and-Paste-Pop, der sich spätestens mit Strawberry Jam, dem achten Album der Band, manifestierte, wird wohl bis auf weiteres das Hauptbetätigungsfeld bleiben. Vokabular etabliert, kontrollierte Weirdness in Tüten. Wo früher bei Auftritten mitunter ausschließlich unveröffentlichtes Material zu Gehör gebracht wurde und Setlists ein Gräuel waren, gilt es an diesem Abend ein Art Best-of-Programm zu bestaunen.

Ein Konzert als DJ-Set

Langweilig ist das nicht. Immer noch konzipiert das Animal Collective nach eigenen Angaben seine Konzerte nach dem Vorbild eines DJ-Sets: Die Songs, tanzbar angelegt, werden ineinander verzahnt, verwischt und teilweise neu zusammengebaut. Da kann als Opener Chocolate Girl vom ersten Album in das herausragende Panda-Bear-Solostück Comfy in Nautica fließen; und Fireworks, der Hit, mit dem frühen Stück Essplode sauber ausbalanciert zu einem neuen Track verwoben werden. Man spielt schließlich nicht mehr vor zehn Leuten in einem Keller in Williamsburg, sodass man jeden Abend das Abtasten der Instrumente neu erlernen müsste.

Willen zum Freakout

Selbst wenn sich Routine in das Werken und Schrauben der Band geschlichen hat und man den Willen zum alten Freakout bisweilen vermissen mag: Man hat es hier nach wie vor mit der so ziemlich interessantesten Popmusik zu tun, die es heutzutage zu erleben gibt.

Es muss nicht ständig alles ganz anders werden, damit es spannend bleibt. Im letzten Stück vor der Zugabe, dem unveröffentlichten Brother Sport, verdichten sich noch einmal alle Stärken der Band. Das Stück wird auf dem neuen Album sein, das für Jänner 2009 angekündigt ist. Merriweather Post Pavilion wird die Platte heißen. Und wenn hier, wie in Brother Sport angedeutet, wieder alles in den üblichen geordnet-ungeordneten Bahnen verläuft, darf mit einem Album des Jahres gerechnet werden. Das Animal Collective selbst aber wird dann möglicherweise schon wieder ganz woanders angekommen sein. (Philipp L'Heritier / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.10.2008)