Amy Flanagan bei der Arbeit: Hungrige Menschen aus Sierra Leone, Guinea,... wruden gecastet und Teil der Kampagne

Foto: Benetton
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Es ist schwer, etwas Weises über Hunger zu sagen. Man kennt ihn ja kaum, hierzulande. Hungerstreik, Hungerast, Magersucht oder dieses eigenartig fremde Gefühl, wenn man in Spanien ist und es erst um halb vier Mittagessen gibt. Hypoglykemie nennt man das bei uns ja mittlerweile eher und will damit sagen, dass man, he, so im Stress ist, dass man jetzt aber echt vergessen hat, dem Körper seine ausdauernden Kohle- hydrate, die Ballaststoffe und ein bisschen Eiweiß für die Muskeln zuzuführen.

800 Millionen Menschen weltweit haben da andere Sorgen, nämlich überhaupt nichts zu essen, etwa 24.000 sterben täglich an Hunger oder dessen Folgen, 400 Millionen Menschen erlagen dem Hunger in den vergangenen fünfzig Jahren, schätzt das "World Food Programme" der UNO. Weshalb Benetton sich dazu entschloss, ordentlich Geld in diese Richtung lockerzumachen, fünfzehn Millionen Euro fließen derzeit in WFP-Projekte in Afghanistan, Kambodscha, Guinea und Sierra Leone. Und nach guten Erfahrungen während der vergangenen zwei Jahre mit Kampagnen in Zusammenarbeit mit "SOS Racisme", den "UN Volunteers", dem Flüchtlingshilfswerk und anderen Organisationen fand man es dieses Jahr angebracht, ein bisschen Aufmerksamkeit für diese eher selten besprochene Not erwecken zu wollen.

"Natürlich sind wir ein Kleidungskonzern, und die Ernährung der Welt ist nicht unbedingt unser Thema", meint Barbara Liverotti von Benetton München, "allerdings sind wir auch ein Teil der Gesellschaft und müssen deshalb einfach Stellung nehmen". Den möglichen Vorwurf, mit dem Hunger der Dritten Welt Geschäfte zu machen, entkräftet Liverotti damit, dass man die Kampagnen ohnehin schon längst nicht mehr dafür einsetze, "um Klamotten zu verkaufen, dafür haben wir ja unsere Stores".

Die Kooperation von Benetton mit dem WFP steht auf drei Säulen: Erstens werden diverse Projekte mit Geld unterstützt, etwa "food for peace", im Zuge dessen Soldaten in Bürgerkriegsgebieten mit Nahrung belohnt werden, wenn sie ihre Waffen abgeben, oder "food for education", bei dem in Schulen Essen ausgegeben wird, um den Anreiz für Kinder zu erhöhen, einmal dort hinzugehen. Zweitens eine Plakat-Kampagne und drittens wurde in der Kommunikations-Kreativschmiede Benettons namens "fabrica" ein Magazin "Hunger" herausgebracht, für das die junge Londoner Autorin und Filmemacherin Amy Flanagan Betroffene in Sierra Leone, Guinea, Kambodscha und Afghanistan portraitierte, James Mollison fotografierte sie. Starke Geschichten hätten die Menschen alle zu erzählen gehabt, berichtet die 29-jährige Londonerin, wessen Story sich im Heft dann wiederfand, hing aber "von der Stärke der Bilder ab". Was sich nicht vermeiden ließe, "denn es liegt in der Natur der Menschen, sich um die Probleme zu kümmern, die ihnen nahe sind". Und bei Hunger sei das in Europa eben nicht der Fall, "da braucht es schon dramatische Bilder, um Aufmerksamkeit zu erzeugen". (DER STANDARD/rondo/Florian Holzer/28/02/2003)