Foto: Universal

Man muss natürlich eine Schwäche für die Traurigkeit haben, um das hier zu schätzen. Baden Powell, im Jahr 2000 verstorbener brasilianischer Musikus, machte es einem diesbezüglich allerdings leicht - Melancholie, bei ihm war sie einfach die höchste Form von Poesie, versöhnlich, erbaulich und atmosphärisch stark. Seine Verführung kam mit sechs klassischen Gitarrensaiten daher, mitunter ergänzt durch schüchtern-zierlichen Gesang. Das lässt sich auf dieser Compilation O Universo Musical de Baden Powell (Universal) zweifellos nachhören. Das Material spannt einen Bogen von 1964 bis 1974, enthält elegische Solorhapso- dien, die zu Tränen rühren müssten. Sie zeigt auch, dass Powell in Afrika musikalische Wurzelforschung betrieb (modale Stücke).

Und sie vermittelt auch Eindrücke darüber, dass er an jener Begegnung zwischen Brasilien und Jazz, die als Bossa Nova in den 60er-Jahren zu ganz raffinierter Harmonik gelangte, intensiv teilnahm. Wenn es textlastig wird, dann ist das gut so. Das erinnert daran, dass die Tiefe seiner Musik sich ja mitunter auch durch die Texte des Poeten Vinicius de Moreas vermittelte, mit dem Powell jahrzehntelang eine lukrative künstlerische Beziehung pflog. Doch auch ohne gesungene Worte war Powell letztlich der beredte Poet, der durch melodische Eingebungen bezirzte, die allesamt auf der Gitarre entstanden, aber eben auch tragfähig blieben, selbst wenn sie ein anderes Instrument spielte. Immer ein Qualitätsmerkmal.

In Brasilien gibt es übrigens eine hübsche Legende zu Powells Begegnung mit dem Instrument. Sie handelt von einem Diebstahl. Es geht um einen Jungen aus armen Verhältnissen, dem seine Musikbesessenheit die Gewissensqualen nahm und eine geborgte Klampfe einfach nicht mehr zurückgeben ließ. Es ist der beklatschteste und sinnvollste Diebstahl der Musikgeschichte.
(DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2003)