Harry-Potter-Historismus: Das "Schloss Platz'l" ist vermutlich der gediegenste Ort im "Praterdome"

DER STANDARD/ Andreas Tischler

"Jö, schau, der H.-C. Strache!" Die Eröffnung der Großraumdisco ist ein Heimspiel. Weil andere Parteien diese Klientel nicht erreichen

DER STANDARD/ Andreas Tischler

Wien - Manchmal muss man über den eigenen Schatten springen. Und zugeben, dass man sich geirrt hat. Und zwar kollektiv: Dass Feuilleton, Architekturkritik und Rathausopposition ebenso einstimmig wie gnadenlos über die Gestaltung des Riesenradplatzes (vulgo: "Pratereingang") hergefallen sind, war nämlich ungerecht. Grob ungerecht. Oder zumindest weltfremd.

Denn das Volk - also jene Menschen, für die der Wurstelprater von jeher da war und auch weiterhin da sein soll - mag es so. Genau so. Sonst sähe der "Praterdome" anders aus.

Doch um zu wissen, wie es in Wiens neuester Großraumdiscothek aussieht, muss man den 3500-Gäste-Schuppen eigentlich gar nicht betreten. Der "Praterdome" ist nämlich die konsequente Fortsetzung des Riesenradplatzes - und zwar auf allen Ebenen. Architektonisch, ästhetisch, konzeptionell - und akustisch: eine große Portion Harry-Potter-Historismus, gepaart mit einem bisserl Schabernack-Design. Garniert mit viel glitzerndem und blinkendem Klimbim, über den ein dicker Teppich aus vielfältiger Lautstärke gelegt wird. Und damit das Werkel am zweiten Tag auch noch so schön glänzen kann wie in der ersten Nacht, in abwasch- und reparaturfreundlicher Modul- oder Leichtbauweise. Fertig.

Die Leute mögen das. Sehr sogar. Jedenfalls sah es Mittwochabend schon lange vor dem ersten öffentlichen Hochamt im "Dome" unter dem Riesenrad ganz danach aus: Entlang des roten Teppichs, den die geladenen Ehrengäste aus Gastronomie-, Prater- und Erlebniswelt beschreiten mussten, bevor sie im Entree des Lokals fotografiert wurden und elektronische Bon-Kärtchen (bezahlt wird beim Rausgehen) erhielten, standen vierschrötige Muskelmänner in dunklen Anzügen Spalier.

Hinter ihnen baute sich eine Wand erwartungsvoller Jugendlichkeit auf. "Wieso dürfen, die jetzt schon rein?" - "Was, erst um 22 Uhr geht es für uns los?" - "Aber dann darf schon jeder rein, oder?" - "Was, die ganzen Türken auch?" - "Jö, schau! Der H.-C. Strache!" - "Hoffentlich ist der nachher auch noch da, ich will ein Foto mit ihm!" Und so weiter.

Drinnen war man dieweil noch unter sich: Männer jeden Alters mit oft weit geöffnetem Hemd über massivem und gebräuntem Bodybuilder-Oberkörper waren deutlich überrepräsentiert. Frauen und Mädchen trugen meist blond bis wenig - aber die "übliche" Wiener Eröffnungsschickeria war nicht zu sehen. Lediglich Alexander Wurz soll da gewesen sein.

Soll? Ja, denn obwohl man von Ballustraden und Balkonen einen guten Überblick über zwei große Dancefloorzonen, ein Almhüttenimitat, "Soul Lounge", "Schloss Platz'l", Cocktailbar und eine Imbisszone hat, sind die Wege, Gänge und Stiegen dazwischen geschickt verschachtelt: Publikum, das stetig wandert, weil es ja anderswo etwas versäumen könnte, suggeriert Dynamik - das schafft Spannung. Also Erwartungen und Hoffnungen. Und daraus sind die Träume der Nacht gemacht.

Dieses Konzept ist natürlich nicht neu - aber immens erfolgreich: Dass der Praterdome wie ein Modell aus dem Baukasten wirkt, kommt nicht von ungefähr: Der offiziell für 3500 Personen entworfene Tanzpalast im Prater ist Teil des Discothekenimperiums des deutschen Geschwisterpaares Holger und Roger Pfister. Ihre MPC-Gruppe betreibt derzeit allein in Deutschland 29 Discos. Auch in Österreich hat die Gruppe längst Fuß gefasst: Pfisters lassen in Linz, Bregenz und Villach tanzen - und mit dem "A-Dance-Club" sind sie auch in Wien schon mit im Spiel. Der "Praterdome" soll aber das Flaggschiff der Kette werden.

Mit dieser Ansage, befand Sabine Gretner, die Planungssprecherin der Grünen im Wiener Rathaus, hätten die Discobetreiber im Grund sogar recht. Bei aller Kritik an Planung und Genehmigungsverfahren (der Standard hatte berichtet) befand Gretner, als sie sich den "Dome" in der ersten Spielnacht besuchte, sei hier der richtige Ort, für eine große Disco: "Wo, wenn nicht hier, soll so ein Betrieb hin?"

Beim "echten" Publikum war all das weder in noch vor dem Lokal Thema: Man war gekommen, um Maß zu nehmen. Und was man sah, gefiel. Weil es den Erwartungen entsprach. Inklusive H.-C. Strache. Das gab auch Gretner zu - und zwar durchaus selbstkritisch: "Wir alle erreichen diese Menschen nicht. Nicht nur an diesem Ort." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, 24. Oktober 2008)