Foto: Uni Klagenfurt

Judith Glück bezeichnet die "Freiheit" als das Schöne am Beruf Wissenschafterin.

Kinder kennen Master Yoda und Dumbledore und können anhand dieser Vorbilder Weisheit festmachen: klug und freundlich sein, mit Problemen umgehen können und guten Rat geben. "50 Prozent der Sechsjährigen und mehr als 90 Prozent der Zehnjährigen kennen den Begriff Weisheit und können ihn definieren", so Judith Glück, 39 Jahre alt, seit Mai 2007 Psychologieprofessorin an der Uni Klagenfurt. Lebenserfahrung, Einfühlungsvermögen, Offenheit, die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln und zu reflektieren nennen erwachsene Menschen typisch.

In der Psychologie klaffen die Definitionen von Weisheit und wie sie gemessen werden kann eher auseinander: Manche bewerten Erfahrungswissen mit "Weisheitsaufgaben", andere verwenden Fragebögen zur Selbstbeurteilung. Optimal wäre die teilnehmende Beobachtung in realen schwierigen Lebenssituationen, was im Labor eben nicht geht.

Finanziert vom FWF und der Arete Initiative der University of Chicago wird sich Judith Glück der Erforschung von Weisheit mit qualitativer Methodik nähern und Wendepunkte in den Lebensgeschichten weiser Menschen beleuchten: "Wir fragen nach prägenden Ereignissen aus dem Leben und wie damit umgegangen wurde. Die Arbeitshypothese ist, dass weise Menschen sich in der Auseinandersetzung mit solchen Situationen positiv weiterentwickeln." Studienteilnehmer sucht die Entwicklungspsychologin mit einem öffentlichen Aufruf zur Nominierung von weisen Menschen. "Wer sich selbst meldet, scheidet also aus", schmunzelt sie.

Vergangenen Juli lud die Wienerin ein Dutzend US-Weisheitsforscher nach Klagenfurt zur Diskussion über Weisheit bei Männern und Frauen. Das kurz gefasste Ergebnis für Glück: Weise Frauen und weise Männer unterscheiden sich noch weniger als Frauen und Männer generell.

Nach zwei Jahren in der Klasse für Industrial Design an der Angewandten wollte Judith Glück erst einmal in der Anonymität des Massenstudiums Psychologie an der Uni Wien untertauchen und fand Gefallen daran. Zwei Monate verbrachte sie als Research Fellow an die Michigan State University. Nach Abschluss ihres Doktorats arbeitete sie von 1999 bis 2002 am Max Planck Institut für Bildungsforschung und spezialisierte sich auf Entwicklungspsychologie im Erwachsenenalter: "Wir wissen heute, dass man sich über die gesamte Lebensspanne weiterentwickelt. Weder wird im Elternhaus alles entschieden noch sind weise Menschen in der Regel Jugendliche."

Wissenschaftlich tätig sein bedeutet, von sich aus über Dinge nachzudenken und sie zu beobachten. "Diese Freiheit ist das Schöne an dem Beruf." Judith Glück faszinieren "konkrete Lebensgeschichten. Gerade in der Psychologie wird vieles hochtrabend formuliert, was im Grunde ganz einfache Grundprinzipien hat." Noch arbeitet die zweifache Mutter halbtags. Mit ihrem Mann lebt sie das "moderne Familie-Ding". Selbst weise zu werden, sieht sie als ambivalentes Ziel, denn das "ist sehr oft mit schmerzlichen Erlebnissen verbunden". (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 29.10.2008)