Foto: Christian Fischer

Mareike Müller hat die Geräte ausprobiert.

Stehen wir mit den E-Books vor der größten Revolution seit Erfindung des Buchdrucks? Die Wiener IT-Firma HixBooks jedenfalls setzt jetzt ganz auf die E-Book-Reader und schult schon einmal den Buchhandel.

Ein Hardcover: Im Deckel klafft ein Loch. Ein Comic: halb zerschreddert. Ein Taschenbuch: Schwarzes Silikon quillt heraus, verklebt die Seiten. Was der britische Künstler Jonathan Callan mit seinen Buchskulpturen macht, ist ein Angriff auf die Hochkultur. Genüsslich tobt er sich am in Form gebrachten Wort aus. Der Feind des Buches allerdings lauert an ganz anderer Front.

Der Feind des Buches ist das, was spätestens seit der Frankfurter Buchmesse vor zwei Wochen als "the next big thing" gilt: die elektronischen Bücher, E-Books. Denn damit befinden wir uns, wie es der deutsche Verleger Helge Malchow von Kiepenheuer & Witsch jüngst ausdrückte, mitten im Teil einer Revolution, wie sie vergleichbar vor 500 Jahren vonstatten ging. Gutenberg, Sie erinnern sich?

Lesen lässt es sich gut

Amazon buchstabiert die Revolution: Kindle. So heißt sein Reader, der in Frankfurt endlich für Europa angekündigt wurde, den Termin blieb man noch schuldig. Auch Sony steht kurz davor, seinen Portable Reader - der wie der Kindle in den USA schon erhältlich ist - hierzulande zu verkaufen. Voraussichtlich ab Frühjahr 2009. Das Sony-Gerät war eines unserer Testgeräte, außerdem drei E-Book-Reader, die schon jetzt am deutschsprachigen Markt erhältlich sind: Jet Book von Ectaco aus den USA. Iliad von iRex, einem Spin-off von Philips. Und das Cybook von Bookeen (Frankreich). Geräte zwischen Taschenbuch- und beinahe DIN-A4-Größe, in Silber, Anthrazit, Weiß.

Erste Amtshandlung: Gerät laden, E-Books per USB-Kabel überspielen. Nie war so viel Vorbereitung, um zu lesen. Das ist zwar kein Argument gegen das E-Book, zeigt aber, dass ein Buch nicht nur mit Haptik punktet, sondern auch mit seiner schnellen Verfügbarkeit. Literatur brauchte bislang kein elektronisches Gerät.

Lesen lässt es sich allerdings auf allen E-Book-Readern ausnehmend gut, ermüdungsfrei sogar. Die Geräte, bislang nur als Schwarz-Weiß-Displays erhältlich, flimmern nicht wie ein PC, strahlen selbst kein Licht aus - funktionieren also nicht im Dunkeln. Auf dem mattgrauen Display, das fast wie Papier anmutet, sind PDFs meistens und Txt-Formate immer angenehm dargestellt, an der Darstellung von Bildern in PDFs kann allerdings noch gearbeitet werden, ebenso an kontrastreicheren Graustufen. Beim Sony Portable Reader und beim Cybook fielen die recht trägen Seitenwechsel auf: Beim Umblättern per Tastendruck wird die Seite kurz schwarz. Was irritiert.

Bevor die Seitenwechsel nicht optimiert sind, kann keines der Geräte Videos oder Animationen abspielen. Musik hingegen schon, ebenso Fotos zeigen - wo sich dann schon die Geister scheiden. Während die einen argumentieren, auch ein elektronisches Buch möge bitte nur Text sein, meinen andere: Erst durch die Einbindung solcher Features werde der Text zum reinen Text. Anders ausgedrückt: Wenn im Buch die Rede von einem Song ist, ließe sich zukünftig im E-Book an ebendieser Stelle die Musik abspielen - oder das Gemälde zeigen, vor dem der Protagonist gerade steht - multimediales Lesen eben. Inwieweit das der Fantasie der Leser zu- oder abträglich ist, ist eine ganz andere Frage.

Die Vorteile des E-Books: Hunderte Bücher lassen sich in einem einzigen, allerdings teuren Gerät speichern; für Viel- leser im Urlaub ein Argument, ebenso für Schüler und Studierende, die immer die neuste Version von Fachbüchern dabeihätten. Im Test zeigte sich, dass der Umgang umso selbstverständlicher wird, je leichter das Gerät ist. Das Jet Book ist besonders leicht, kann aber beim Design seine Herkunft nicht verleugnen: Die Firma produziert vor allem Taschenübersetzer. Hübscher sind demnach die übrigen Reader, der Iliad hat als Einziger ein Touchscreen-Display, das sich per Stifteingabe bedienen lässt - für unseren Geschmack muss das beim Lesen nicht sein. Ein Tastendruck ist dem Umblättern immer noch ähnlicher als ein Stiftklick, und Notizen sind schneller auf ein Papier gekritzelt als aufs Display. Das Bookeen, beim Vergrößern der Buchseiten unkomfortabel, da ohne gängige Lupen-Taste, ahmt netterweise die Haptik des Lesefortschritts nach: Wie weit man im Text ist, zeigt ein zunehmender Balken.

Bislang warten die meisten Verlage noch ab: Kommen einheitliche, geschützte Formate, wie Amazon sie anbietet? Wie schützt man E-Books vor Piraterie? Welche kostenpflichtigen Plattformen werden sich etablieren, die gegen Umsonst-Anbieter im Web wie Projekt Gutenberg oder Wowio natürlich mehr Content bieten?

Mit der Wiener IT-Firma "HixBooks" könnte aber schon bald Bewegung in den Markt kommen. Ab Dezember will man drei Reader über den gut sortierten Buchhandel vertreiben. Zugleich schult Hixbooks Buchhändler, um Kunden den Download von E-Books zu erleichtern - also gleich im Laden vornehmen zu lassen. In den kommenden Jahren geht Daniel Schreiber, Geschäftsführer von HixBooks, in Österreich zwar von einer nur langsam steigenden Zahl von E-Book-Käufern aus. "Man unterschätzt leicht, wie viele Bücher verschenkt werden." Doch zugleich hofft er auf den Amazon-Effekt: In den USA kauft ein klassischer Kindle-Nutzer viermal so viel Bücher wie noch vor der Einführung des Geräts. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10.2008)