José Manuel Talero.

Der US-Wahlkampf wird als der teuerste aller Zeiten in die Annalen eingehen. Rund 1,4 Milliarden Dollar wurden in TV- und Radio-Spots sowie Zeitungs- und Internetwerbung investiert. Der Großteil der Werbeausgaben entfiel aufs Fernsehen. Zum ersten Mal spielte auch das Internet als Wahlkampf- und Mobilisierungsinstrument eine wichtige Rolle. Neben Online-Werbung machte sich vor allem Obama das "Mitmach-Web" zunutze. Mehr als 1.500 Clips finden sich auf seinem YouTube-Kanal (über 300 bei McCain). Obama kommt auf ca. 720.000 virtuelle Freunde bei MySpace und 2,15 Millionen Unterstützer bei Facebook. Bei McCain sind es 175.000 bei MySpace und 577.000 bei Facebook. José Manuel Talero, Chef von more2say über den Internet-Wahlkampf.

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Man hat viel über Obama und das Internet geschrieben, aber wenn der Erfolg nur vom Internet abhängig wäre, dann ginge es bei der US-Präsidentschaftswahl nicht um die Frage: Obama oder McCain, sondern um die Frage: Obama oder, der in Österreich unbekannte, Ron Paul. Und ginge es wirklich nur um den Erfolg im Internet, dann würde sich diese Frage erst gar nicht stellen, weil Barack Obama gar keine Chance gegen Ron Paul hätte. Dieser hat nämlich bis zu viermal so viele Anhänger im Internet (viewer, blogger, Freunde in sozialen Plattformen wie Facebook oder MySpace).

Worin liegt also der Erfolg von Obama? Es geht offensichtlich nicht nur um das Internet selbst, es geht auch darum, wie man das Internet als Medium nutzt. Nicht nur politische Parteien sondern auch Unternehmen nutzen das Internet suboptimal. In vielen Fällen ist es damit vergleichbar, als ob man Plakate und Zeitungsanzeigen nehmen und sie einfache eine halbe Stunde im Fernsehen schalten würde. Keiner würde denken, dass das produktiv ist, also warum macht man das im Internet? Verdient das Internet keine eigene Strategie, nur weil es gratis ist?

Barack Obama hat jedoch gelernt, mit dem Medium der unbegrenzten Möglichkeiten umzugehen, und gezeigt, was man alles schaffen kann, wenn man es richtig nutzt. Er hat erkannt, dass es um Strategie, Kreativität und Grassroot/WOMM geht - all das mit dem Lautsprecher des Internets.

Daten im Wert von 200 Millionen Dollar

Der Wahlkampf von Obama hat von Anfang an auf die richtige Strategie gesetzt: das Internet als Chance zu nutzen, als Kommunikationsstrategie und nicht nur dafür, um Slogans auf beliebten Websites auszustellen. Durch Kreativität wurden neue Wege der Kommunikation genutzt, um Wähler einerseits auf Obamas Seite zu ziehen, in erster Linie aber, um seine Wähler kennen zu lernen. Durch erfolgreiche Strategien in den Bereichen Grassroot / Word of Mouth-Marketing auf MyBarackObama.com haben sich bislang rund eine Million Anhänger registriert und wertvolle Daten von sich Preis gegeben. Diese Daten haben einen Wert von 200 Millionen Dollar, schätzt der amerikanische Wirtschaftsdienst "Bloomberg".

Diese Word of Mouth-Marketing Plattform und andere Grassroot Tätigkeiten in Sozialen Plattformen wir MySpace oder Facebook hatten einen sehr starken Einfluss auf den Lauf der Kampagne. Jordi Segarra, Direktor der Wähler Lateinamerikanischer Herkunft in der Obama Kampagne, sowie Vorstandsmitglied der Europäischen Vereinigung Politischer Berater, erklärt, dass diese Tätigkeiten eine Million Volontäre mobilisiert haben, die meisten erstmals politisch tätig, und dank der Mikrospenden und Geldsammelmaschinerie soviel Geld gesammelt werden konnte, die alle Fundraising Rekorde überholen konnten.

Word of Mouth-Marketing

Obama geht nicht den traditionellen Weg des "Überredens", sondern erstmals den viel Effektiveren, nämlich den des "Mitmachens".

Aber warum sollte man diesen Vorteil nur im politischen Zusammenhang nutzen? Für Unternehmen ist es von großer Bedeutung, ihre Kunden zu kennen, um optimal auf deren Wünsche eingehen zu können. Das System von Word of Mouth-Marketing ist in den USA oder Holland schon zum fixen Bestandteil im Marketing-Mix geworden und fasst nun auch in Österreich Fuß. (José Manuel Talero; derStandard.at, 4.11.2008)