Wien - Das Tauziehen um einen neuen Kollektivvertrag (KV) für den österreichischen Handel geht wahrscheinlich in die Verlängerung. Nach der Auftaktrunde am 23. Oktober und dem Zusammentreffen gestern, Dienstag, wollen die Verhandlungsteams von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer heute, Mittwoch, neuerlich einen Versuch starten, die noch weit auseinanderliegenden Positionen unter einen Hut zu bringen. Insider bezweifeln, dass das noch in dieser Woche gelingt.

"Wie lassen uns nicht unter Druck setzen; Qualität geht vor Zeit" , sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Karl Proyer, dem Standard.
Die Gewerkschaft fordert für die rund 520.000 Mitarbeiter im Handel und in verwandten Branchen eine Gehaltserhöhung deutlich über der Jahresinflation von 3,5 Prozent. Zuletzt sind Forderungen publik geworden, die zwischen 3,8 und 4,0 Prozent liegen. Speziell bei den niedrigen Einkommen bestehe Handlungsbedarf.

Vertreter des Handels verweisen auf die wieder rückläufige Teuerungsrate und den Konjunkturabschwung, der für die gesamte Branche ein schwieriges Jahr 2009 erwarten lasse.
"Dass eine Annäherung heuer, mit Finanzkrise und allem Drumherum, nicht einfach sein würde, war uns bewusst" , sagte Gewerkschafter Proyer. Da für die Beschäftigten mehr Geld in der Tasche derzeit Priorität habe, soll über rahmenrechtliche Aspekte wie Arbeitszeiten, Zuschläge oder generell eine neue Form der Gehaltsanpassung, gesondert gesprochen werden. Proyer: "Auch hier gilt: Qualität geht vor Zeit."

Als "irrelevant" bezeichnete Proyer eine Aussage des steirischen Regionalsekretärs für Handel, Walter Christian, wonach ein Abschluss bei 3,9 Prozent "ein Erfolg" wäre, zumal die Arbeitgeber in ihrem ersten Angebot "weniger als ein Prozent" geboten hätten. Es gebe nicht wenige Handelsunternehmen, die zuletzt sehr gut verdient und das auch mit Stolz berichtet hätten, etwa Ikea. Proyer: "Die könnten den Mitarbeitern freiwillig etwas drauflegen. Das ist im Moment die beste Investition."
Der geltende Handels-KV, der mit 1. Jänner 2008 eine Gehaltserhöhung um 3,1 Prozent, mindestens aber 45 Euro gebracht hat, läuft Ende dieses Jahres aus. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 05.11.2008)