Ludwig Hirsch ist zurzeit auf Tournee.

Die nächsten Live-Termine sind am:
15. 11. Casineum Velden,
17. 11. Kunsthaus Weiz,
18. 11. Zwentendorf, VAZ Donauhof,
19. & 22. 11. Wien, Theater Akzent,
21. 11. '08 Krems, Stadtsaal.

 

 

Foto: STANDARD /Newald

 

 

 

 

 

Foto: STANDARD /Newald

Hirsch musste Musik hören, erkennen und kommentieren. Vorgespielt hat sie ihm Karl Fluch

Ludwig Hirsch ist nervös: "Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich kenn jo nix!" Die Angst war unbegründet, ein paar Zigaretten und sieben Lieder später war das musikalische Blind Date mit dem österreichischen Liedermacher schon wieder vorbei. "War's okay?", fragt er am Ende. Es war. Hirsch (62) ist ein großer Einzelgänger des heimischen Pop. Ihn schlicht und schlecht als Austro-Popper zu bezeichnen wäre eine Beleidigung. Vielmehr ist Hirsch, der 1978 mit dem Album Dunkelgraue Lieder debütierte, so etwas wie der österreichische Leonard Cohen. Eben wurden alle seine zwölf bisherigen Alben in einer neuen CD-Edition frisch aufgelegt, dazu Gottlieb Live erstmals auf DVD. Am 21. November erscheint zudem ein handsigniertes, auf tausend Stück limitiertes Box-Set mit seinem bisherigen Gesamtwerk.

Johnny Cash: Bird On A Wire

Hirsch (singt mit): Ist aber nicht der Cohen ...

STANDARD: Wie wichtig war Leonard Cohen für Sie?

Hirsch: Cohen war ein ganz wichtiger Wegbegleiter. Er war ja vor kurzem in Wien. Ich saß in der zweiten Reihe, die Karten hat mir meine Frau geschenkt, und ich war fasziniert von seiner Persönlichkeit. Was der schafft, das versuch ich auch bei meinen Konzerten. Er erzeugt eine unglaubliche Atmosphäre. Er schickt seine Antennen ins Publikum, so intensiv, dass wir unsere Antennen automatisch zu ihm hinaufschicken. Dann berühren sie sich - und dann fliegen wir alle miteinander weg. Ich hab ihn wahnsinnig gern gehört, aber kopieren wollte ich ihn nie. Auf meinem Bauernhof in der Steiermark hab ich eine alte Musicbox stehen, und ich sammle seit Jahren Singles, die da reingehören. Natürlich ist er da mit Bird On A Wire drinnen.

STANDARD: Das war eine Coverversion von Johnny Cash. Geht Country im Hirsch-Universum?

Hirsch: Net so wahnsinnig. Es gibt sicher Sachen vom Cash, die mir gut gefallen, aber ich hab mich mit Country nie so auseinandergesetzt. Cash war sicher eine großartige Persönlichkeit, seine Musik hat mich aber nie begleitet. Country mag ich vor allem in Filmen.

Willi Warma: Stahlstadtkinder

(Ludwig Hirsch schaut betreten ...)

STANDARD: Das ist die Linzer Punk-Band Willi Warma. Die Aufnahmen entstanden rund um 1980. 1978 haben Sie Ihr erstes Album veröffentlicht. Haben Sie Punk mitbekommen?

Hirsch: Ich war zu der Zeit einmal in London, und da hab ich mir The Clash gekauft. Ich hab's mir deswegen gekauft, weil die lag da auf dem Verkaufstisch. Und alle wollten die haben, aber es gab nur noch die eine. Ich hab dann mit holprigem Englisch gefragt, ob der Verkäufer nicht ein zweites Exemplar hätte. Sagt der Verkäufer: Kommen Sie aus Wien? Ich sag: Jo - und natürlich hat er sie dann mir verkauft. Hugo hat er geheißen, der Verkäufer. Ein Wiener in London hat mir meine erste Clash-Platte verkauft. Ich konnte aber nicht wahnsinnig viel damit anfangen. Das war nie meine Richtung.

Elvis: Love Me

Hirsch (singt sofort mit ...): Das Lied hab ich ihm gefladert. Das ist Gel' du magst mi. Zuerst haben wir es ein bisserl umgebaut und uns gedacht, da kommt keiner drauf, dass das vom Elvis ist. Natürlich ist man draufgekommen, ich wurde vom Verlag vorgeladen. Da wurde mir gesagt, wenn da nicht sofort Leiber/Stoller draufstehen, gibt's an Skandal!

STANDARD: Wie kann man sich denn die Rock-'n'-Roll-Revolution im Ludwig-Hirsch-Kinderzimmer vorstellen?

Hirsch: Das erste Taschengeld, das ich mit 13, 14 gekriegt hab, hab ich ins Plattengeschäft getragen und mir Elvis-Singles gekauft. Er ist natürlich auch in meiner Musicbox. Steh ich total drauf, das ist ein Bruder im Geiste in meinem Leben.

STANDARD: Warum gerade das Lied?

Hirsch: Ich liebe seine Schnulzen. Das sind so Seufzerbrücken zwischen Herz und Kitsch.

STANDARD: Fanden Sie seinen Abgang schlimm oder angemessen?

Hirsch: Natürlich war's schiach. So mit Schlaftabletten, und beim Speiben ersticken. Er hätte wegfliegen sollen, in den Himmel.

Der Scheitel: Mei potschertes Leben

Hirsch: A super Nummer! Hat das nicht der Boxer gesungen, der Orsolic? Ein super Lied! Der da bringt es hervorragend.

STANDARD: Es heißt, dieses Lied - hier interpretiert vom Scheitel - sei der einzige Wiener Blues. Ist das zulässig?

Hirsch: Ja, unbedingt. Das Arrangement ist gut, und der Sänger ist super. Wer ist das?

STANDARD: Christian Fuchs von FM4.

Hirsch: Sehen Sie den? Schönen Gruß von mir, es hat mir ganz, ganz gut gefallen. Werd ich mir zulegen.

STANDARD: Das Lied hat so einen abgenudelten Espresso-Charme. Sie besingen ja oft Randexistenzen. Gehen Sie da in solche Lokale zur Inspiration?

Hirsch: Nein, meine Charaktere hab ich alle erfunden. Ich hab nie versucht, meine Probleme auf den Tisch zu legen. Vielleicht weil ich von der Schauspielerei komm, hat's mich immer interessiert, fremde Figuren in fremden Situationen zu erfinden - Märchen zu erfinden. Und wenn man Märchen erzählt, ist der Horizont viel weiter offen als sonst. Die schrägen Figuren, wie den "Klanen Zwerg", die hab ich alle erfunden.

STANDARD: Thema Wienerlied: Ist das die Fortsetzung profaner Boshaftigkeit mit anderen Mitteln?

Hirsch: Das kann man so sagen, ja.

Aretha Franklin: Rock Steady

Hirsch hebt nach längerem Hören die Schultern ...

STANDARD: Aretha Franklin. Hirsch-Musik ist ja zutiefst weiß ...

Hirsch: Ja, die pendelt zwischen Wien und der Steiermark.

STANDARD: ... hat Sie schwarze Musik nie gelockt?

Hirsch: Ich weiß nicht, ob das ein Argument ist, aber ich wollt immer die Leute streicheln, einlullen, und kuscheln und sie dann am Schluss ein bisserl zwicken. Das ist, glaub ich, dunkelgrau. Passt da schwarze Musik dazu? Nicht, gell? Ich will die Leut' ja hinterfotzig in den Hintern zwicken, ihnen dabei aber schön mit den Geigen um die Ohren schmieren.

Burial: Near Dark

Hirsch: Ujegerl. Keine Ahnung ...

STANDARD: Das ist britische Club-Musik. Das Stück heißt Near Dark. Sie haben ja einen Hang zum Dunklen. Burial steht für einen anderen Umgang mit der Dunkelheit, eine andere Ästhetik, ähnliche Thematik.

Hirsch: Bei dem Burial müsste ich mehr hören. So denke ich, das groovt nicht. Tut mir leid. Der Hang zum Dunkeln, das stimmt schon. Aber wenn man in noch so tiefe Abgründe steigt, man muss sich selbst dabei immer ein wenig über die Schulter grinsen. Dann kann man in Abgründen wühlen. Ich weiß nicht, ob der das macht. Ist das HipHop?

STANDARD: Nicht wirklich ...

Hirsch: Wegen meinem Sohn kenn ich HipHop ein wenig. Da denk ich mir oft, eh interessant, aber warum sind die immer so schlecht aufgelegt?

Noah and the Whale: 5 Years Time

Hirsch: Bis jetzt witzig, aber nicht sehr aufregend.

STANDARD: Als Fernseherbesitzer müssten Sie das eigentlich kennen. Das war in einer Werbung im Dauereinsatz.

Hirsch: Des ist wahnsinnig brav.

STANDARD: Heute sind viele Bands froh über Werbe-Deals. Können Sie sich und Ihre Musik als Werbeträger vorstellen? Sagen wir für einen Sargtischler?

Hirsch: Das würde ich nicht begrüßen. Da wird Musik zur Berieselung. Und ich wollte die Leute nie berieseln. ( DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2008)