"On the Road" in drei Variationen: Karin Maria Pfeifer inszeniert Miss Piggy als Crash-Pilotin ("Crashing Donald" , 2007), ...

 

Foto: Sammlung Essl

... Barbara Husars Ziegenherde in der Wüste Sinai - das Langzeitprojekt "Astral-skulptur" (2008), ...

 

Foto: Sammlung Essl

... und Wolfgang Lehrner filmt das Unspektakuläre des Alltags ("Moving Image" , 2006-08).

Foto: Sammlung Essl

Klosterneuburg - Wann hat sich eigentlich zuletzt jemand gefragt, was ein "emerging artist" ist? Gibt es für den Anglizismus vom gerade "auftauchenden" , "hervorkommenden" oder "in Erscheinung tretenden" Künstler überhaupt eine deutsche Entsprechung? "Aufstrebende Künstler" klingt eher nach Ellbogen und Aktentasche als nach frischen, gerade geschlüpften Ideen. Und "Junge Szene" ebenso wie "Junge Kunst" lässt die Künstlergeneration 35plus meist abblitzen.

Jetzt einmal ehrlich: Wie lange dauert so ein Auftauchen überhaupt, wann gehört man zu jenen, die - inzwischen gut sichtbar - oben schwimmen? Constantin Luser war 2001 einer der ersten Teilnehmer der Reihe "emerging artists" im Essl Museum, die darauf abzielte, junge, aktuelle Kunst, vielfach auch noch ohne Vertretung durch eine Galerie, im musealen Umfeld zu präsentieren. Heute, sieben Jahre später, ist der 32-jährige Luser einerseits immer noch "am Sprung" , wie das Linzer O.K. aktuell ihren jungen Szene-Hüpf nennt;andererseits ist er so weit etabliert, dass das Belvedere Lusers Handlungswolken ganze drei Monate lang durch das Augarten Contemporary schweben lässt.

Plattform als Starthilfe

Im Grunde ist es ja auch ziemlich egal, was am Etikett steht. Was zählt, ist die Möglichkeit zur Präsentation unverbrauchter Kunst. Das Essl Museum sieht seine Ausstellungsplattform als Starthilfe, bietet den Raum für bisher Uneta-bliertes, der in Museen der öffentlichen Hand fehlt.

Heuer bewarben sich mehr als 1000 in Österreich lebende und arbeitende Künstler. Nationalität und Alter spielten keine Rolle; und so ist bei Austrian Contemporary auch der 53-jährige Virgilius Moldovan dabei, der konzentriert und zurückgezogen an seinen aufwändigen, weil riesigen, mitunter zweieinhalb Meter hohen Tonfiguren arbeitet. Wegen der enormen Resonanz mussten 990 Absagebriefe verschickt werden, erzählen die Kuratoren Christine Humpl und Günther Oberhollenzer.

Kunst der Absagen

Nur 17 Künstlern blieb die Enttäuschung der Marke "die Auswahl ist uns nicht leicht gefallen. Leider haben wir uns nicht für Ihre Arbeiten entschieden" erspart. Auch Barbara Musil, die genau diese "Leider Neins" in der Video-Installation Shift Expectations (2005-08) verarbeitet. Schriftliche Enttäuschungen, die die Salzburgerin mit Brieflese-Szenen aus alten Kostümschinken, den Peanuts oder den Simpsons unterlegt und damit bricht, weil die Kombination oft ins lächerlich Theatralische kippt.

Zu den interessantesten Positionen zählen jene von Michael Goldgruber, Barbara Husar, Wolfgang Lehrner, dem Künstlerduo Johanna Tinzl und Stefan Flunger sowie Clemens Wolf.

Wolf (geb. 1981) transportiert nicht nur die Techniken von Graffiti und Street Art auf die Leinwand, sondern versetzt auch eines ihrer typischsten Betätigungsfelder - urbane Industriebrachen - ins Bild. Wolf, der von Wien nach Linz ging, um beim Studium weniger Ablenkung zu haben, nutzt Schablonen und schüttet die Farbe, was einen geradezu nostalgischen Effekt erzielt. Hier das Verschwimmen der Ölfarbe, dort der fortschreitende Verfall der Ruinen, die einmal Symbole des Fortschritts waren. Die aus Fotos generierten Schablonen setzt Wolf auch in monochromen Gemälden ein, wo die Strukturen Oberflächen von großer Sinnlichkeit erzeugen.

Barbara Husars (geb. 1975) Kunst zeichnet sich durch ihre Entzeitlichung aus, in die sie auch den Betrachter einbezieht und ihn in eine Art Beduinenzelt aus bunten Decken entführt. Dort verknüpfen sich filmische Bilder von Besuchen bei ihrer Ziegenherde in der Wüste Sinai mit rätselhaften ornamentalen Zeichnungen - Hybriden zwischen Gürtelschnallen und Synapsen. Warum eine junge Frau, eine Ziegenherde hat? Husar sieht in den Nabelschnüren die Urform der Kommunikation und will aus jenen der Ziegen einmal eine Hängematte weben.

Zeit ist auch ein wichtiger Faktor in der eher konzeptuellen, gesellschaftspolitischen Arbeit von Johanna Tinzl und Stefan Flunger (geb. 1976 und 1969). Sie beschäftigen sich in der Videoinstallation Kleiner Morgen mit einem Dorf in Osten von Bosnien-Herzegowina: Während die Nebelschwaden sich verziehen und langsam der Tag anbricht, erzählen Stimmen die Geschichte und infrastrukturellen Probleme eines Ortes, an dem vor dem Balkankrieg noch 3000 Menschen lebten, heute sind es 300.

Blick des Unspektakulären

Auch Wolfgang Lehrners (geb. 1980) Video-Stillleben sind von Langsamkeit, von kaum merklichen Veränderungen geprägt. Seine kurzen Filme dauern aber statt einer Stunde nur etwa eine Minute. Es sind unspektakuläre Situationen und Landschaften, die der Vielreisende einfängt und darin mit Langeweile als Stilmittel spielt.

Michael Goldgruber (geb. 1965)nähert sich dem Aufeinandertreffen zweier Welten in den Medien Fotografie, Malerei und Installation. Ort seiner feinsinnigen Beobachtungen: die Eiger-Nordwand. Hier trifft Naturgewalt auf die Aneignung durch den Menschen mittels Gondelbahnen und in den Berg getriebenen Aussichtsplattformen.

Die witzigste Arbeit ist zweifelsfrei von Karin Maria Pfeifer, die sich mit Frauenrollen beschäftigt. In der Fotoserie crashing donald ist der selbstbewussten, rücksichtslosen Miss Piggy leider der ewige Pechvogel Donald im Weg.

Weitere teilnehmende Künstler:Markus Bacher, Miriam Bajtala, Andrea Danner, Daniel Domig, Michail Michailov, Ingrid Pröller, Patricia Reinhart und Barbara Vögel. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2008)