Klüger: Der Naschmarkt! Das ist einer der schönsten Märkte der Welt, wo man alles kriegen kann, wo was los ist, wo geredet wird, wo auch intelligent diskutiert wird. Das ist einer der besseren Orte Wiens, würde ich sagen.

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Klüger: Das ist ein Schnitzel, und das ess ich nicht, weil mir die Kälber leid tun. Also ich bin keine richtige Vegetarierin, aber ich esse keine Säugetiere, ich schaue gern einer Kuh ins Gesicht und sag: Ich fress dich nicht. Und die Kälber natürlich noch weniger.

derStandard.at: Ein Huhn ist Ihnen zu klein fürs Mitgefühl?

Klüger: Das ist natürlich völlig irrational, aber das Huhn ist mir zu fremd. Ich bin ein Säugetier, die Kuh ist ein Säugetier, das Kalb ist ein kleines, liebes Säugetier. Das Schwein ist wahrscheinlich so gescheit, wie ich bin, aber das Huhn ist eine andere Spezies, das geht mir nicht so nahe. Fische sind auch intelligent, und leiden ungeheuer in diesen Fischereien, aber ich esse sie trotzdem, irgendwas muss man ja essen.

derStandard.at: Kein Tafelspitz also.

Klüger: Nein! Scheußlich!

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Klüger: Gruppe eins? Hm...was ist denn das?

derStandard.at: Der Zentralfriedhof.

Klüger: (Lacht) Ach so! Das erste, was mir einfällt, ist, dass ich ihn nicht erkenne. Und das zweite ist natürlich, dass da natürlich manche Familienmitglieder begraben worden sind, und manche andere nicht mehr begraben sein werden.

derStandard.at: Sie schreiben in „weiter leben", dass der Zentralfriedhof zu ihrem einzigen Spielplatz wurde, als man Sie sonst nirgends mehr spielen ließ.

Klüger: Ja, wir haben alle da gespielt. Übrigens, der Zentralfriedhof als Spielplatz kommt auch in Ilse Aichingers schönem Buch „Die größere Hoffnung" vor. Sie schreibt über jüdische Kinder, die nirgends anders mehr spielen konnten.

 

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Klüger: Und was haben wir da? Das kenn ich schon wieder nicht. Wo sind wir da?

derStandard.at: Das ist das Riesenrad.

Klüger: Ach, das ist ein Wagen am Riesenrad! Das hat mich ganz konfus gemacht. Ja, natürlich, ich dachte einen Moment: Riesenrad. Und dann wieder nicht. Ja, das Riesenrad, da dürfte ich nicht rein, was mich sehr gekränkt hat, ich wär so gern damit gefahren.

derStandard.at: Das hatte einen jüdischen Besitzer, dem man es 1938 weggenommen hat.

Klüger: Das wusste ich nicht. Ich bin nie damit gefahren, erst wollte ich nicht, dann durfte ich nicht. Nur Ringelspiel bin ich gefahren.

 

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Klüger: Das ist der Lueger, das war dieser Antisemit, den der Hitler als Vorbild genommen hat, der ansonsten wahrscheinlich ein ganz guter Bürgermeister war, aber dass er so ein begeisterter Antisemit war, kann man ihm schwer verzeihen. Und daneben ist das Prückel, nicht? Die Straße vor der Universität heißt auch Lueger-Ring, und der Platz beim Denkmal ist auch nach ihm benannt. Das ist schon ein bisserl viel.

derStandard.at: Nach wem sollte man den Platz denn benennen?

(Klügers Freundin und AUF-Mitherausgeberin Eva Geber nähert sich dem Kaffeehaustisch)

Klüger: Eva, fällt dir etwas ein, wie könnte man den Karl-Lueger-Platz nennen, wenn man ihn umbenennen würde?

Geber: Na da fallen mir dutzendweise Frauen ein!

Klüger: Sehr gut.

Geber: Natürlich die Rosa Mayreder.

derStandard.at: Die hat noch keinen Platz?

Geber: Einen Schmarren hat sie. Und das war ja eine ganz große Denkerin, und noch dazu die erste feministische Theoretikerin, also das wär schon ganz wichtig. Rosa-Mayreder-Platz, das wollen wir haben.

Klüger: Gut! Ich schließe mich an.

Geber: Außerdem war sie bei der Demonstration gegen Antisemitismus, mit der Bertha von Suttner zusammen...

Klüger: ... die Bertha von Suttner wäre auch eine ganz Gute!

Geber: Ja, aber die hat schon. Außerdem war sie ja auf dem Geldschein. Die Rosa Mayreder hätte Wiener Ehrenbürgerin werden sollen, und dann haben sie sie runtergestuft zur Bürgerin, weil sie gesagt hat, dass sie so stolz auf ihren Großvater sei, der Jude war.

Klüger: Tatsächlich!

Geber: Darum, als Gegenpol zum Lueger wäre es doch angebracht. Und der Lueger hat ja mindestens vier Denkmäler! Sogar eine Lueger-Kirche. Eine Kirche! Da kriegst du ja die Motten.

Klüger: So, ich muss jetzt aber hier weiterspielen und sagen, was mir zu den Bildern einfällt. Aber die Hälfte kenn ich ja nicht einmal.

 

Foto: STANDARD/Corn

Klüger: Das ist das Arbeiterviertel. Das ist doch dort, wo auf die Arbeiter geschossen wurde. Aber da war ich noch zu klein. Das war so eine unheimliche Geschichte, von der man gehört hat zuhause.

Foto: STANDARD/Corn

Klüger: Also das sind die Rechten, nicht? Naja, was soll man dazu sagen, es gibt Rechtsgruppen überall. Hier sind sie halt besonders lautstark, wenn sie sich breitmachen, wie zum Beispiel nach Haiders Tod. Aber es gibt in Österreich so eine Wurschtigkeit demgegenüber. Die Deutschen regen sich viel mehr auf und empören sich ganz anders. Es ist eine andere Gemütslage, die in der Politik hier waltet. Sie ist mir irgendwie gemäßer einerseits, ich kann das nachvollziehen, aber andererseits ist es auch verächtlich. Man sollte die Politik schon ein bisserl ernster nehmen und nicht die Schulter zucken über menschenfeindliche Äußerungen. (mas, derStandard.at, 21.11.2008)

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