Coverfoto: Rabid Records

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Foto: Archiv
I am a cop
shut up
I piss in your mouth

Wenn The Knife eines nicht sein wollen, dann nett. Sie leben zwar zurückgezogen in einem seltsamen Privatuniversum, aber von dort hat man einen ziemlich guten Blick auf unsere Welt - und die Möglichkeit sie zu beschallen: Wenn Karin Dreijer singt, hat das ein wenig den Effekt, als würde der Wohnungsnachbar die Kreissäge anwerfen - und das ist nur ein kleiner Teil ihres durch Mauern dringenden Stimmspektrums.

Karin wagte zuvor schon bei der verschrobenen Alternative Rock-Band Honey Is Cool vokale Experimente. Als Duo The Knife, gemeinsam mit ihrem Bruder Olof, zieht sie nun unterstützt durch elektronische Verzerrung alle Register: vom kleinkindhaften Quäken bis zum subsonischen Frankenstein wechselt die Stimme. Dabei lässt sie nicht nur textlich den Schwanz aus der Hose hängen ("Hangin' out") - künstlich gedehnt als Mann zu singen, gerne auch mit sich selbst im Duett, ist Programm.

So you're having a baby
in november
is it enough with my blessing
or my kissing
why wasn't I told

Das weite Feld der Transsexualität abzugehen und Geschlechterstereotype auseinanderzunehmen kennt man auch von anderen MusikerInnen, der Berlin-Kanadierin Peaches etwa. Karin Dreijer ist aber noch radikaler, weil soundmäßig verspielter.

Jeder Text aus Dreijers Feder - mind is a razor blade - ist als Statement zu werten. Der Übergang vom rein Privaten (Before I knew about the equality way I wanted to get laid to "Take my breath away"...) über das allgegenwärtige Genderbending bis zur Politik fließt - niemand kann sagen, wo hier die Grenze verlaufen sollte.

Das Eingangszitat ist übrigens ein Kommentar zur Gewalteskalation in Göteborg rund um den EU-Gipfel im Juni 2001. Bei den größten Ausschreitungen der schwedischen Nachkriegsgeschichte hatte es hunderte Verletzte unter Demonstranten und Polizisten gegeben, Verurteilungen (auf Demonstrantenseite), Freisprüche (auf Polizistenseite) und eine völlig verwüstete Göteborger Innenstadt.

We are the people who've come here to play
I don't like it easy
I don't like it the straight way
we're in the middle of something
we are here to stay
and we raise our heads for the colour red

Die Musik von The Knife könnte man kurz als Electro Clash bezeichnen - wenn sich unter dem Modewort nicht jeder etwas anderes vorstellen würde (mal abgesehen davon dass es sich dabei um eine irgendwie ungeschliffenere Form von Elektropop handelt). Das weckt vielleicht Assoziationen an die deutsche Elektronik-Szene ... passt aber nicht, weil sich die beiden SchwedInnen einen Jux daraus machen, wie eine japanische New Wave-Band aus den 80ern zu klingen. Angefangen gleich beim Eröffnungsstück "Heartbeats" - so etwa hätte wohl das Ergebnis geklungen, wenn Cyndi Lauper vom seinerzeit großen und überaus wahnsinnigen Frauen-Duo Frank Chickens (große Empfehlung fürs Stöbern in Platten-Antiquariaten) gecovert worden wäre.

Eurotechno ist die zweite große Inspirationsquelle: "Girl's Night Out" oder "Listen Now" könnten ohne Probleme als Mitstampf-Hymnen auf der nächsten "Mayday" gespielt werden. Dazwischen werden Samples von Flöten, Spieluhren und Steeldrums eingesetzt - wie in der neuen Single "You Take My Breath Away", in der Synthesizer, Calypso-Klänge und Jaulstimme gegeneinander aufgehetzt werden - mit ohrenbetäubendem Ergebnis.

To call for hands of above
to lean on
wouldn't be good enough
for me

Kompromisslos bizarr. (Josefson)