Zwischen trotziger Offensive und Rückzugsgefechten: Alex, Held/in von "XXY", konzentriert verkörpert von Inés Efron.

Foto: Polyfilm

Wien - Ein Meeresbiologe, seine Frau und Alex, ihr Kind im Teenageralter, bekommen Besuch: Aus dem fernen Buenos Aires sind alte Freunde eingetroffen, ebenfalls eine dreiköpfige Kleinfamilie. Allerdings geht es nicht nur um einen Ferienaufenthalt. Der Zugereiste ist plastischer Chirurg, er hat Alex' Krankengeschichte im Gepäck. Und Alex' Mutter erhofft sich von ihm eine eindeutige Lösung für jenen Zwischenzustand, in dem sich ihr Kind von Geburt an befindet.

XXY heißt das Spielfilmdebüt der Argentinierin Lucía Puenzo. Der Titel, darauf wird im Presseheft ausdrücklich hingewiesen, bezieht sich nicht auf einen medizinischen Befund, sondern auf eine "dichterische Metapher". Er ist damit näher an jener mythologischen Weltsicht, der auch das Wort Hermaphrodit entstammt - als Bezeichnung für ein biologisches Geschlecht, das sich eindeutiger Zuordnung als männlich oder weiblich entzieht.

Normierungen

Auch der Film selbst versucht, sich der damit verbundenen Normierung zu enthalten, indem er das Phänomen aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten umkreist - jede davon ist geprägt von Vorurteilen, Ängsten oder Projektionen. Und Alex befindet sich nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern muss auch zwischen all diesen Sichtweisen und Haltungen eine eigene finden und behaupten.

Geschichte vom Heranwachsen

Puenzos Film erzählt aber auch eine Geschichte vom Heranwachsen unter ungewöhnlichen Bedingungen: von Eltern, die ihr Kind beschützen wollen und vor lauter guter Absicht mitunter übersehen, dass sie dabei die Grenze in Richtung Bevormundung überschreiten. Von einem Teenager, der seinen Rückzugsbereich mit Frontal-attacken hart abschirmt, sich dabei jedoch auch selbst verletzt. Der Film enthüllt dieses labile Gefüge und dessen Ausgangspunkt nach und nach, er behält fragmentarischen Charakter:

Vieles wird im Off der Geschichte belassen. Auch die Figuren selbst verbleiben im Anschnitt, damit werden vereinfachende Psychogramme unterbunden. Gesprochen wird wenig. An einem windigen, dünn besiedelten Landstrich an der uruguayischen Küste scheinen Alex' Eltern eine adäquate Heimstatt gefunden zu haben - nicht nur diese Frage bleibt am Ende offen. (Isabella Reicher, DER STANDARD, Print, 26.11.2008)