Mit Rechtsberatung (hier im Verein Ute Bock) beginnt, beim Verfassungsgerichtshof - und nur dort - endet die Hoffnung vieler Flüchtlinge, in Österreich bleiben zu dürfen.

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Wien - Im neuen Regierungsprogramm kommen die Probleme der heimischen Asylgerichte nicht vor. Also gibt der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, der neuen Staatsspitze seine Sorge um "funktionierende Rechtsstaatlichkeit" extra mit auf den Weg. Und zwar in eigener Sache: Seit Monaten sei der VfGH bis an die Grenzen der Belastbarkeit von Asylfällen überflutet, weil die Beschwerdeführer nicht mehr zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gehen können, erläutert er im Standard-Interview (siehe unten rechts).

Ausgangspunkt der vielen zusätzlichen VfGH-Fälle ist der Asylgerichtshof. Dieser wurde von der letzten rot-schwarzen Koalition anstelle des bis dahin geltenden Instanzenzugs eingerichtet. Das Ziel: Der beachtliche Rückstau von 25.100 "Altfällen" (Letztstand Juli 2008) sollte abgearbeitet und über neu hinzukommende Asylanträge innerhalb von sechs Monaten entschieden werden. "Die Arbeit läuft gut", gibt dort Asylgerichtshofpräsident Harald Perl Auskunft: Seit der Asylgerichtshof im Juli 2008 seine Arbeit aufgenommen hat, seien "rund 3000 neue Fälle" an ihn herangetragen, aber über "rund 4000 Fälle entschieden" worden.

Mit dem Resultat, "dass sich laut unseren internen Berechnungen die Zahl anhängiger Altfälle bis Ende Oktober auf 22.700 verringert hat". Das von der Politik gesteckte Ziel, bis Ende 2010 sämtliche "Altfälle" aufgearbeitet zu haben, sei demnach "aus heutiger Sicht nicht unrealistisch".

Überlastung vorhergesagt

Den starken Asylwerberzulauf beim Verfassungsgerichthof will Perl nicht kommentieren. Dass auf den VfGH mehr Arbeit zukommen werde, habe man gewusst, sagt er nur. Außerdem sei die jetzige Asylwerber-Beschwerdequote beim VfGH "immer noch niedriger als die frühere beim VwGH". Experten hatten diese Entwicklung vorausgesehen.

"Vielen Klienten rate ich jetzt von einer VfGH-Beschwerde ab, weil der Tatbestand, den sie anprangern wollen, kein grundrechtlicher ist", bestätigt dies die Anwältin und SOS-Mitmensch-Obfrau Nadja Lorenz. Beim VwGH habe sie sich wegen Verfahrensmängeln beschweren können, beim VfGH nur dann, wenn die Mängel reiner "Willkür" gleichkämen. Beim VfGH hat sie derzeit "zehn Beschwerden" laufen, doch erst eine Entscheidung bekommen: "Eine negative", präzisiert sie.

Befremdet reagiert die Anwältin auf die im Regierungsprogramm enthaltenen Pläne zur Umsetzung eines Bleiberechts für Asyl-"Altfälle". Der VfGH hat der Politik hier, wie berichtet, bis Ende März Zeit gegeben, um den bisherigen Gnadenweg beim Minister durch ein Antragsverfahren zu ersetzen. Dazu sind nun "humanitäre Beiräte" geplant, die von den Landeshauptleuten eingerichtet werden "können". "Das ist viel zu unkonkret", kritisiert Lorenz. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 26.11.2008)