Wien - Österreichs Industrie droht in ein Auftragsloch zu fallen. Ihre Exporte brechen empfindlich ein. Ihre Erträge sinken, und vor allem kleinen Unternehmen werden von Banken vermehrt die Kredithähne zugedreht. Die Aufträge der Industriebetriebe sind bereits im ersten Halbjahr um 0,9 Prozent gesunken, zeigen die Statistiken der Bundessparte. Im Inland summierte sich der Rückgang auf 2,5 Prozent.

Die aktuelle Lage erinnere an die Turbulenzen vom Anfang der 90er- Jahre, sagte Manfred Engelmann, Geschäftsführer der Sparte Industrie, am Dienstag vor Journalisten. Die Situation sei auf jeden Fall bedrohlicher als bei der Konjunkturdelle vor sieben Jahren.

Was die Aussichten für 2009 betrifft, wolle er noch nicht von einer Rezession sprechen, so Engelmann weiter. Er sehe für das erste halbe Jahr aber großen Anlass zu Sorge. Sorgenkind sind die Exporte. Die zweistelligen Wachstumsraten des vergangenen Jahres sind vorbei, in den ersten acht Monaten 2008 verbuchte die Industrie unterm Strich nur noch Zuwächse von weltweit 5,4 Prozent. Der August brachte den Österreichern sogar ein sattes Minus von mehr als fünf Prozent.

Völlig ausgelassen haben die Geschäfte mit den USA: Die Ausfuhren in die Staaten sackten um fast acht Prozent ab. Lieferungen nach Deutschland machen gut ein Drittel der Exporte aus Österreich aus: Bis August ging sich hier gerade einmal ein Plus von knapp vier Prozent aus. In Irland und Großbritannien stieg die Industrie mit einem kräftigen Minus aus.

"Industrie reagiert rascher"

Das raue Umfeld hat Folgen für die Beschäftigung. Für das Gesamtjahr sollte sich zwar noch ein leichter Zuwachs ausgehen - 2009 werde die Industrie jedoch rund zwei Prozent ihrer Mitarbeiter abbauen, vermutet Engelmann. Das sei allerdings weniger als viele befürchtet hatten. Die Industrie habe gelernt, mit Krisen umzugehen, reagiere rascher und halte überwiegend an ihrem Schlüsselpersonal fest.

Derzeit sind dennoch 8400 ihrer Mitarbeiter von Kurzarbeit betroffen. Der Anteil der Leiharbeiter - sie sind die ersten, die bei Restrukturierungen gehen müssen - stieg in der Industrie in den vergangenen sieben Jahren von ein, zwei auf mehr als fünf Prozent. Einzelne Konzerne besetzen bereits bis zu 40 Prozent ihres Personals mit Arbeitern und Angestellten auf Zeit.

Wenig Erfreuliches biete derzeit auch der Blick auf die Gewinne der Industriebetriebe. Ihre Auslastung sinke schneller als die Kosten, sagte Engelmann. Die Energie verbillige sich nur langsam, und für Personal wie Finanzierung müsse laufend mehr aufgebracht werden.

Vor allem die Finanzierung liege vielen Industriellen schwer im Magen. Kleine und mittlere Betriebe stünden vor einem ausgetrockneten Flussbett, umschreibt der Spartenchef die Lage. Banken klopften die Bonität der Industrie stärker ab. Die Vergabe von Krediten verzögere und verteuere sich. Dabei könne es vor allem für kapitalintensive Produktionen eng werden. Ein Maschinenkauf entscheide ja mitunter über den Erfolg eines Unternehmens. Engelmann hofft, dass die Finanzierung noch vor Weihnachten neu in Schwung kommt. (vk, DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2008)