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Nicht nur beim Laufen verbrauchen Mensch und Tier Energie, auch im Ruhezustand wird ein Grundumsatz benötigt - zum Beispiel für die Milchproduktion für den Nachwuchs.

Foto: APA/dpa/Boris Roessler

Selbst wenn wir völlig lustlos am Sofa abhängen, verbraucht unser Körper Energie: für Atmung, Verdauung, Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Diesem sogenannten Grundumsatz steht die maximale Dauerleistung gegenüber, also das, was wir unter Aufbietung aller Kräfte über längere Zeit schaffen. Die kann sechs bis siebenmal so hoch sein, aber damit ist auch beim besten Sportler Schluss. Mehr geht selbst mit optimaler Ernährung und dem effizientesten Training nicht. Die Frage, warum das so ist, beschäftigt Wissenschafter auf der ganzen Welt seit rund zwanzig Jahren. Bei diesbezüglichen Untersuchungen am Feldhasen fanden Thomas Ruf und Teresa Valencak vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Rahmen eines FWF-Projektes Erstaunliches heraus.

Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, wie der maximale Energieumsatz gedeckelt werden könnte. Es kann daran liegen, dass die Organe, die für die Nahrungsverwertung zuständig sind, eine beschränkte Leistungsfähigkeit haben. Von Radfahrern weiß man zum Beispiel, dass sie während eines lange andauernden Rennens Gewicht verlieren - sie können einfach nicht so viel essen, wie sie bei diesen Anstrengungen verbrauchen. Möglich ist aber auch, dass das Nadelöhr bei jenen Organen liegt, die direkt die Leistung erbringen müssen, im Falle der Radfahrer zum Beispiel Herz oder Muskeln.

Doch nicht nur Spitzensportler gehen bezüglich Energie ans Limit. Auch stillende Mütter - egal, ob bei Mensch oder Tier - bewegen sich nah an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Von Untersuchungen an Mäusen stammt die Überlegung, dass die Limitierung auch aus einer ganz anderen Ecke kommen könnte: Beim Säugen produzieren die Muttertiere nicht nur Milch, sondern auch jede Menge Wärme. Das Konstanthalten der eigenen Körpertemperatur in dieser selbstproduzierten Hitze braucht viel Energie und könnte sich entsprechend limitierend auf die Leistung auswirken. Dafür spricht, dass polnische Milchkühe, die in den 1930er-Jahren durch Bespritzen mit Wasser gekühlt wurden, mehr Milch gaben. Auch die Milchleistung der Mäusemütter ließ sich durch Scheren steigern.

Alle bisherigen Studien zur Energieregulierung wurden an Mäusen durchgeführt. Ruf und Valencak sind die ersten Wissenschafter, die dazu Feldhasen heranziehen. Zwischen Jänner und September dieses Jahres haben Häsinnen bis zu fünfmal ein bis drei Junge, die sie nur einmal am Tag für ein paar Minuten säugen. Im Labor des Forschungsinstituts wurden die Häsinnen nur dreimal pro Jahr verpaart und nur Würfe mit jeweils drei Jungen ausgewertet. Die somit energetisch gleich belasteten Weibchen wurden bei verschiedenen Diäten gehalten, um zu sehen, inwieweit sie imstande sind, schlechtere Futterqualität durch vermehrtes Fressen auszugleichen. Wie die maximale Dauerleistung der Tiere limitiert ist, ließ sich dabei nicht feststellen - aus dem einfachen Grund, dass sie nie an ihre absoluten Grenzen gehen.

Selbstkontrolle

Offenbar kontrollieren die Häsinnen selbst, wie sehr sie sich bei der Milchproduktion ins Zeug legen. Die beste, weil fetteste Milch erhalten die Jungen des ersten Jahreswurfes, bei dem die Mütter noch über wesentliche Fettreserven verfügen. Über den Sommer wird der Fettgehalt der Milch immer geringer, bis die Fettreserven der Häsinnen beim letzten Wurf schließlich völlig erschöpft sind. Macht aber nichts, denn die Tiere fressen dann einfach mehr, um auch diese Jungen noch aufziehen zu können. Dabei werden sie offenbar weder von der Kapazität ihres Darms noch ihrer Milchdrüsen beeinträchtigt. In jedem Fall aber bleiben die Hasenmütter ein Stück unterhalb dessen, was sie wirklich könnten.

Warum tun sie das, wenn es doch um die Produktion möglichst vieler Nachkommen geht? "Sie verlängern dadurch ihre Lebensdauer" , vermutet Ruf, denn: "Fortpflanzung ist schädlich für den Körper." Das ist nicht nur beim Hasen so. Siebenschläfer, die aufgrund schlechter Nahrungsverhältnisse jahrelang auf Fortpflanzung verzichten, werden bis zu zwölf Jahre alt, während dieselbe Art in Wäldern, die eine jährliche Reproduktion erlauben, schon nach drei bis vier Jahren sterben. Auch eine Studie am englischen Adel, dessen Geburten und Todesfälle seit mehr als 1000 Jahren penibel aufgezeichnet werden, hat einen deutlichen Zusammenhang zwischen Fortpflanzung und Lebenserwartung ergeben: Je weniger Kinder, desto älter werden die Frauen.

Warum das so ist, darüber kann zurzeit nur spekuliert werden. Hoher Energieumsatz führt zur Zunahme von Stoffwechselprodukten wie freien Sauerstoffradikalen, die die DNA schädigen. Dagegen hat der Körper zwar verschiedene Abwehrmechanismen, doch "es kann sein, dass diese bei ständig wechselndem Energieumsatz außer Kontrolle geraten" , weiß Ruf. Teresa Valencak ist derzeit im Rahmen eines Firnberg-Stipendiums in Cambridge, um genau dieser Frage nachzugehen.

Übrigens: Die verkürzte Lebenserwartung bei vielen Kindern gilt auch für Männer. Die verbrauchen ihre Energie nicht beim Stillen, sondern beim Kämpfen: um Weibchen, Territorien, Ressourcen. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 03.12.2008)