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Schönborn hatte die österreichischen Bischöfe der "Sünde" bezichtigt, da sie vor 40 Jahren Nein zu "Humanae vitae" ("Pillen-Enzyklika") gesagt hätten.

Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Wien/Graz - Wenn ein Bischof die Worte seines Kardinals relativiert und nicht fromm abnickt, geht dies fast als Weihnachtswunder durch. Und doch genau das ist jetzt passiert. In der aktuellen Diskussion rund um die Enzyklika "Humanae vitae", in der Papst Paul VI. das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung festgelegt hat, weicht der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari jetzt deutlich von der Linie des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn ab.

Dieser hatte die österreichischen Bischöfe der "Sünde" bezichtigt, da sie vor 40 Jahren Nein zu "Humanae vitae" ("Pillen-Enzyklika") gesagt hätten. Die Predigt des Kardinals, gehalten bereits Anfang März in Jerusalem vor Vertretern des  kirchenintern umstrittenen Neokatechumenats, löste jetzt mit Zeitverzögerung in der heimischen Kirche einiges Befremden aus. Offiziell zu widersprechen getraute sich aber keiner der Bischöfe, obwohl Schönborn mit seinen Aussagen deutlich wie nie zuvor mit den Ansichten des österreichischen "Überkardinals" Franz König brach. Dieser war 1968 Initiator der sogenannten "Mariatroster Erklärung", mit der versucht wurde, das päpstliche Verhütungsverbot lebbar zu machen.

Konfrontationskurs

In der jüngsten Ausgabe der internen Mitarbeiterzeitung Kirche Konkret der Diözese Graz-Seckau ging nun mit Bischof Kapellari einer der engsten Vertrauten des Kardinals auf Konfrontationskurs. Er sei überzeugt, dass die damaligen Bischöfe Österreichs im Jahr 1968 "sehr verantwortungsvoll gehandelt haben".

Er - Kapellari - kenne "nicht wenige" KatholikInnen, die sich an "Humanae vitae" orientieren. Er kenne "aber sehr viele andere Paare, die glaubhaft vermitteln, dass die natürliche Empfängnisverhütung alleine für sie nicht umsetzbar sei". In dieser seit Jahrzehnten bestehenden Spannung zwischen Gegensätzen könne es "keinen Zwang, sondern nur eine friedfertige Argumentation und vorgelebte Beispiele geben", entgegnet der Grazer Bischof seinem Kardinal. Die "katastrophal niedrige Geburtenziffer" resultiere nach Kapellaris Überzeugung "nicht nur aus der generellen Bereitschaft zur künstlichen Empfängnisverhütung, sondern hat vielfältige Ursachen, die komplex ineinander wirken".

"Bevölkerungspolitischer Aspekt"

Maximilian Liebmann - international renommierter Grazer Kirchenhistoriker - nimmt Kardinal Schönborn nicht wirklich ernst. Liebmann: "Es gibt natürlich Diskussionen wegen der Aussagen, aber es wird kirchenintern eher mit der linken Hand abgewunken. Er wird sozusagen nicht zu ernst genommen. Man hört ja auch, dass die Predigt von Kardinal Schönborn nicht sehr überlegt und durchdacht war." Der ehemalige Dekan der Grazer Uni und Vorsitzende der Arge der österreichischen Kirchenhistoriker hält die Aussagen Schönborns aber zumindest in einem Punkt für bemerkenswert. Der "frappierende Unterschied zu den früheren Diskussionen, als die moralische Seite des Sexuallebens, die Sündhaftigkeit, hervorgehoben wurde", sei, dass Schönborn jetzt eine deutliche Umgewichtung auf den "bevölkerungspolitischen Aspekt" vornehme. Liebmann: "Es ist interessant, dass die Kirche beginnt, sich bevölkerungspolitisch zu engagieren."

Dass die Aussagen Schönborns zu einem Richtungsstreit führen könnten, glaubt Liebmann nicht. Eine Korrektur von Mariazell sei "undenkbar, ein Super-GAU". (Walter Müller, Markus Rohrhofer, DER STANDARD, Print, 3.12.2008)