Thierry Renault: "Aus den USA erwarte ich bald wieder neue Impulse. Doch auf den traditionellen europäischen Märkten sehe ich die Zukunftsaussichten weniger positiv, was Expansion betrifft."

Foto: Mapic

Welche Auswirkungen die Finanzkrise auf den Einzelhandel hat, erklärt der Direktor der weltgrößten Handelsimmobilienmesse Mapic, die in Cannes über die Bühne ging: Mit Thierry Renault sprach Gerhard Rodler.

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STANDARD: Spüren Sie bereits die Auswirkungen der Krise?

Renault: Die Mapic, die heuter bereits zum 14. Mal stattgefunden hat, versteht sich als Plattform, wo sich Investoren, Entwickler von Shoppingcenters und Handelsketten treffen, um neue Standorte zu realisieren. Mit etwa 10.000 Registrierungen hatten wir heuer fast gleich viele Teilnehmer wie im Vorjahr. Aber ja, wir spüren die Krise. Alles andere wäre gelogen.

STANDARD: Inwiefern?

Renault: In den letzten Wochen haben einige Aussteller ihre Teilnahme abgesagt - entweder weil sie fusioniert wurden, oder weil sie sich nun vom Markt zurückziehen. Dafür haben in diesem Jahr viele Teilnehmer auch aus gänzlich neuen Ländern gewinnen können. So gesehen macht sich das tatsächliche Ausmaß der Krise nicht ganz so bemerkbar.

STANDARD: Gibt es überhaupt noch Investoren, die Projekte finanzieren können oder kaufen wollen?

Renault: Ja, es gibt ein paar. Aber es sind deutlich weniger als noch vor einem halben Jahr. Das sieht man auch an der Zahl der bei uns teilnehmenden Vertreter von Investmentunternehmen. Deren Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um gut ein Fünftel zurückgegangen.

STANDARD: Hat sich der Fokus der teilnehmenden Unternehmen verändert?

Renault: Es ist schwer zu sagen, ob die erschienenen Investmenthäusern tatsächlich zu kaufen beabsichtigen oder ob sie nicht viel eher auf diesem Wege Käufer für ihre Objekte suchen. Generell ist zu sagen: Es geht den Unternehmen derzeit weniger darum, Dynamik und Wachstum zu präsentieren als vielmehr darum, in den Aufbau von Vertrauen zu investieren. Die aktuelle Krise ist aus meiner Sicht ja vor allem eine Vertrauenskrise.

STANDARD: Als die Mapic vor 14 Jahren startete, war dies auch inmitten einer Immobilienkrise. Wird sich der so rasch erholen wie damals?

Renault: Offen gestanden: Ich denke nicht. Ich muss zugeben, dass ich in meinem bisherigen Berufsleben keine derart tiefgehende Krise wie jetzt erlebt habe. Daher wage ich es auch nicht, von einem baldigen Ende der Krise zu sprechen.

STANDARD: Wird die Zahl der Shoppingcenters in Zukunft sinken?

Renault: In den zurückliegenden Jahren haben sich sehr viele neue Märkte aufgetan - neben dem CEE-Raum sind das vor allem Asien und der Nahe Osten. Ich kann mir also gut vorstellen, dass das Niveau insgesamt gleich bleibt. Aus den USA erwarte ich sogar bald wieder neue Impulse in diese Richtung.

STANDARD: Und welchen Eindruck haben Sie von den europäischen Märkten?

Renault: Auf den traditionellen europäischen Märkten sehe ich die Zukunftsaussichten weniger positiv, was Expansion betrifft. Ich glaube nicht, dass sich die Verkaufsflächen in Europa wesentlich erweitern werden. Aber insgesamt wird es zu erheblichen Umschichtungen kommen. Zahlreiche alte Standorte werden zugunsten neuer Einkaufszentren geschlossen. Auch in den bestehenden Standorten wird es meines Erachtens zu Veränderungen kommen. Es gibt viele neue Marken, die sich den heutigen Bedürfnissen der Menschen gut anpassen können. Marken im mittleren Preissegment hingegen werden die Krise am meisten zu spüren bekommen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.11.2008)