Trotz Krise glaubt ÖGB-Chef Erich Foglar, dass künftig mehr Fachkräfte benötigt werden. Ein generelles Nein zur Öffnung des Arbeitsmarkts gibt es von ihm daher nicht.

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STANDARD: Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat sich für diese Periode schon von der Wertschöpfungsabgabe und der Vermögenszuwachssteuer verabschiedet. Sind Sie von Ihrem Vorgänger enttäuscht?

Foglar: Ob er das ad acta gelegt hat, kann ich nicht nachvollziehen. Fakt ist: Die Wertschöpfungsabgabe ist sinnvoll und notwendig, weil wir die Arbeitskosten entlasten müssen. Es wäre schön, wenn wir das rasch umsetzen könnten.

STANDARD: Was fehlt aus ÖGB-Sicht noch bei der Steuerreform, die für 2009 geplant ist?

Foglar: Wir betrachten das als positiven ersten Schritt. Wir hätten uns aber eher Absetzbeträge und keine Freibeträge bei der Familienentlastung gewünscht. Auch bei der Pendlerpauschale und der Negativsteuer hätten wir uns mehr erwartet. Und natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Tarifreform deutlicher ausgefallen wäre. Wir sind aber Realisten. Wir haben eine schwierige wirtschaftliche Zeit. Und natürlich ist das Regierungsprogramm ein Kompromiss, wo man nicht alles bekommen kann.

STANDARD: Soll man bei der Öffnung des Arbeitsmarktes für Ostkräfte restriktiver vorgehen? Derzeit gibt es die Öffnung nur für Berufe, wo die Sozialpartner das vorschlagen.

Foglar: Diese Vereinbarung ist ein taugliches Mittel. Daran wollen wir festhalten. Wir werden in Zukunft weit mehr qualifizierte Fachkräfte benötigen, und es wird auch wieder aufwärts gehen. Da muss man den Blick ein bissl weiter in die Zukunft richten und darf nicht aufgrund der aktuellen Situation Fehlmaßnahmen setzen. Wir sagen aber Nein zu einer generellen Öffnung, durch die Lohndumping droht.

STANDARD: Die Regierung bekennt sich zu einer Finanzhilfe für die Krankenkassen. ÖVP-Chef Josef Pröll will die ersten 110 Millionen Euro aber erst 2010 bereitstellen. Zu spät?

Foglar: Die Krankenkassen müssen dann das Geld bekommen, wenn sie es brauchen. Das kann früher sein, als uns lieb ist. Alle Budgets sind noch auf eine bessere Wirtschaftslage aufgebaut. Das bedeutet, dass sich die Situation noch ändern wird. Da erwarten wir uns von der Regierung schon die notwendige Flexibilität.

STANDARD: Zum ÖGB: Mehre Teilgewerkschaften sagen, in der Zentrale fehlen 15 Millionen Euro für 2009. Kann es sein, dass die Zentrale bei den Reformen säumig ist?

Foglar: Nein, das kann nicht sein, weil die Zentrale immens viel gemacht hat. Zu konkreten Zahlen sage ich überhaupt nichts. Ich möchte mir zuerst einen Überblick verschaffen. Nur so viel: Entscheidend ist, dass wir die Finanzvereinbarung 2010 einhalten. Wenn man Teilziele dazwischen nicht erreicht, muss man flexibel reagieren.

STANDARD: Es heißt, es gibt mit Doppelstrukturen in Salzburg und Oberösterreich Probleme.

Foglar: Wie gesagt: Wir haben viel umgesetzt, aber noch nicht alles. Wenn es diese zwei Länder sind, werden wir uns anschauen, was der Grund ist. Es reicht nicht festzustellen: So ist es. Man muss hinterfragen: Warum ist das so? Muss man korrigieren?

STANDARD: Sie wurden in kleinem Kreis als ÖGB-Präsident ausgewählt. Was hielten Sie von einer Direktwahl aller ÖGB-Mitglieder?

Foglar: Der kleinste Kreis beschränkt sich auf den Vorschlag. Die Entscheidung fällt im Bundesvorstand und letztlich beim ÖGB-Kongress. Es ist also eine gewählte Funktion. Zur Direktwahl: Ein langer Wahlkampf, der damit verbunden wäre, täte dem ÖGB nicht gut. Dann gäbe es auch viele offene Fragen beim Prozedere. Die könnte man zwar lösen, die Frage ist aber, was man damit gewinnt.

STANDARD: Beim ÖGB gibt es noch immer wenig Frauen in Spitzenfunktionen. Was halten Sie von einem Reißverschlussprinzip 50:50?

Foglar: Wir haben in allen Gremien Frauen entsprechend dem Anteil weiblicher Mitglieder. Ein Reißverschlussprinzip ist unrealistisch. Nehmen wir die Metallergewerkschaft als Beispiel. Da haben wir bei den Mitgliedern einen Frauenanteil von 18 Prozent. Wie sollen wir da ein Reißverschlussprinzip erfüllen können? (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2008)