Der Historiker Anton Tantner beschäftigt sich seit Jahren mit etwas, das die meisten Menschen gerne übersehen: Die Hausnummer. Sie seien kein vermeintliches Detail der Stadtentwicklung. "So selbstverständlich ist sie in unserem Alltag geworden, dass man gar nicht auf die Idee kommt, sie könnte eine Geschichte haben", schreibt Tantner in seinem Buch "Hausnummern. Geschichte von Ordnung und Unordnung".

Bild: In der Weihburggasse 4 änderte sich die Nummerierung

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Staat und Untertan

Die Nummerierung von Häusern wurde nicht eingeführt, um die Orientierung zu erleichtern. Sie dienten Militär und Fiskus dazu, die Menschen systematisch zu erfassen. Solange es kein Adressierungssystem gab, war es dem Staat auch nicht möglich auf Vermögen und Menschen Zugriff zu haben.

Bild: Der Mozarthof in der Rauhensteingasse 6 - von ihm steht heute nur mehr die Fassade - wurde auf dem Baugrund der davor mit 934, 935 und 936 nummerierten Häuser errichtet.

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Doch schon vor der Durchnummerierung waren Häuser adressierbar: Mit Hilfe des Hausnamens. Das Wissen um diese Adresse bleibt im lokalen Bereich, bei der Grundherrschaft, erklärt Tantner. Und dadurch musste der Staat die Hilfe grundherrschaftlicher Beamter in Anspruch nehmen.

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"Es gab sehr wohl manchmal Widerstand gegen das Anbringen von Hausnummern, da es eine Kontrolltechnik war." Vor allem Adelige wehrten sich gegen eine Hausnummer an ihren Schlössern. "Sie wollten nicht mit Häusern des so genannten 'Pöbels' gleichgestellt werden", sagt Tantner.

Bild: Die Nummern sind in der Steindelgasse 4 zu finden.

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"Die Nummer kenne ich noch gar nicht", sagt Tantner bei einem Rundgang durch den ersten Bezirk. Der Historiker dokumentiert sofort den Fund, die kleine Digitalkamera ist immer mit dabei. Die Forschungstätigkeit beeinflusse schon seine Art eine Stadt zu sehen, meint er: "Man bekommt schon einen Blick dafür, auch im Urlaub."

Bild: Franziskanerplatz 3

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"Mich interessiert die Geschichte von Ordnung. Aber auch die Fremdmachung des Vertrauten", beschreibt Tantner seine Faszination mit den Nummern. In seinem Buch schreibt er: "Ohne Ironie kann die Hausnummer als eine der wichtigsten Innovationen der Epoche der Aufklärung bezeichnet werden, jenes Jahrhundert, das von Ordnung und Klassifikation geradezu besessen ist."

Bild: Ursprünglich wurden die Zahlen mit Farben auf die Fassade gepinselt. In der Kleeblattgasse 5 ist eine Zahl noch erhalten.

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1862 wurden die Orientierungsnummern eingeführt. Die ersten waren schwarze Nummern auf weißem Untergrund. Um 1958 wurde das Design verändert und weiße Zahlen standen auf blauem Hintergrund. "In Wien gab es ein Farbsystem. Am Rand der Tafel wurde jeder Bezirk durch eine eigene Farbe gekennzeichnet. Der dritte Bezirk war zum Beispiel grün, der erste rot. Später gab es nicht genug Farben, daher wurden alle Außenbezirke rot eingerahmt.

Bild: Die Kleeblattgasse liegt im ersten Bezirk, die Tafel ist rot umrandet.

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Zunächst wurden die Hausnummern aufgemalt. Die Verwendung von Schildern wurde erst im 19. Jahrhundert üblich, in Paris zum Beispiel schon seit 1805, in Wien flächendeckend erst ab 1862.

Bild: Wipplingerstraße 8 (Altes Rathaus)

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Immer wieder verschwinden alte Hausnummern, wenn Fassaden renoviert werden. Tantner findet das schade: "Da fehlt es noch an geschichtlicher Sensibilität. Ich finde, auch Hausnummern sind schützenswert."

Bild: Die Nummerierung am Kohlmarkt 11 im ersten Wiener Gemeindebezirk ist noch direkt auf die Fassafe aufgemalt.

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Bild: Das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz 2

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