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Die jüngste stammt von Universal Music und heißt "Back To Black".


Wien - Groß, schwer, schwarz. Ein bisserl umständlich, anfällig für Kratzer, also schutz- und liebesbedürftig. Seit Jahren wird die Schallplatte als Medium von gestern betrachtet. Ein Tonträger, an dem nur Freaks festhalten, die zu blöd sind, einen Computer und einen iPod zu bedienen. Oft schon totgesagt, erweist sich die Schallplatte aber als zäher und qualitätsbeständiger als so mancher Judas-Silberling, der mit durchsichtigen und/oder illegal aus dem Netz gesaugten MP3-Files vollgeräumt ist.

In der Musikindustrie war das Denken lange Jahre vor allem auf jene ausgerichtet, die sich gratis an dieser neuen Form des Musikkonsums delektierten. Die tatsächlichen Music-Lover verlor man weitgehend aus dem Sinn. Jene Menschen, die oft lebenslang viel Geld für edle Tonträger aufwenden.

Mittlerweile findet hier ein Umdenken statt. Qualitätskunden wollen Qualitätsware. Auch und gerade in der nach wie vor der Schallplatte die Treue haltenden Klientel. Ein Indiz dafür ist etwa der heimische Schallplattenspielerhersteller Pro-Ject, der aus einem kleinen Büro im fünften Wiener Gemeindebezirk heraus zum Weltmarktführer im Plattenspielerhandel gewachsen ist. 4000 Plattenspieler verkauft Pro-Ject pro Monat weltweit. Tendenz steigend. Gelungen ist das mit schönen, verlässlichen und vor allem auch leistbaren High-End-Turn-tables.

Gute Nachrichten kommen auch von der Software-Front. Nicht nur Künstler wie die schottische Band Franz Ferdinand oder der als Analog-Fan bekannte Neil Young insistieren darauf, dass ihre Alben auch auf Vinyl erscheinen. Nun reagiert auch die Musikindustrie.

Universal Music hat heuer mehr als 70 klassische Alben neu aufgelegt. Die "Back To Black" genannte Wiederveröffentlichungsschiene erfreut mit Detailtreue bis zum Falt-Cover und der bedruckten Innenhülle, in der die Platte steckt. Das Repertoire reicht von Abba bis Stevie Wonder, bietet Cat Stevens ebenso wie Nirvana, Björk oder Dr. Dre. Die Alben kommen als 180 Gramm schwere Pressungen, damit erwirbt man das Werk auch als Gratis-Download von einer eigenen Online-Plattform.

Auch der Handel reagiert: In Großbritannien weichen Billig-DVD-Regale zusehends jenen für Schallplatten. Sogar heimische Großhandelsketten wie Saturn besitzen Vinylfächer. Diese sind in den letzten Jahren auch eher gewachsen als geschrumpft. In Spezialistengeschäften wie Recordbag, Substance oder Rave Up überwiegt Vinyl ohnehin das Angebot. Der Wiener Jazz-Laden Red Octopus beklagt jedoch, dass trotz ungebrochener Nachfrage das Vinylangebot im Jazz-Bereich zu gering sei. Immerhin: A Love Supreme von John Coltrane ist in der "Back-To-Black" -Liste enthalten. Und: "Back To Black" hat eben erst begonnen. Es geht hurtig weiter.

Auch abseits dieser Reihe wird fleißig Vinyl neu- und wiederveröffentlicht: Anlässlich des sich Anfang des nächsten Jahres zum 50. Mal jährenden Geburtstages des US-amerikanischen Soul-Labels Motown wird es exquisite Vinyl-Reissues aus dessen Katalog geben. Im originalen Artwork - also ohne Stricherl-Code.

Mit diesem als ersten Vorboten des digitalen Zeitalters in der Musikindustrie hat das Dilemma ja begonnen. Darum muss er hier draußen bleiben. (Karl Fluch/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7./8.12.2008)