Für Gisela Erler ist der Papamonat nicht mehr als ein "Schnupperkurs".

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Wien - Sie war einer der seltenen Lichtblicke im ÖVP-Wahlkampf. Ursula Von der Leyen, Deutschlands Familienministerin, siebenfache Mutter und Ärztin, hatte die österreichische Schwesterpartei mit einem Kurzbesuch beehrt. Oberflächlicher Aufputz für eine sonst missglückte Kampagne? Oder hinterließen die Thesen der fortschrittlichen CDU-Politikerin in der ÖVP und dem von ihr mitformulierten Regierungsprogramm sogar Spuren?

Österreich wäre nichts Besseres zu wünschen, meint Gisela Erler. "Als Ursula Von der Leyen antrat, ahnten die Männer in der CDU nicht, was diese Frau vorhat", sagt die deutsche Familienforscherin, auf deren Expertise die Ministerin unter anderem vertraute: "Sie dachten, die wird schon eine nette Familienpolitik machen. Was dann kam, war eine Kulturrevolution."

Der Nährboden ist da wie dort derselbe. Erler, die dieser Tage bei einem Syposium des österreichischen Hilfswerks referierte, reiht Deutschland und Österreich unter jene traditionsgläubigen Länder ein, in denen die "Einverdienerfamilie" - Mann bringt Geld nach Hause, Frau hütet Heim und Herd - lange Maß aller Dinge war. In der Hoffnung auf einen Kindersegen überweisen beide Staaten Familien stolze Förderungen, erreichen aber das genaue Gegenteil. Gerade die konservativen Länder leiden unter besonders niedrigen Geburtenraten - und fragen sich, wer die Pensionen der immer größeren Schar der Alten zahlen soll.

Auf Katholizismus und die Nachwehen faschistischer Mutterideologie führt Erler diese Tradition zurück, und auf die Bismarck'sche Prägung des Sozialsystems, das sich am männlichen Ernährer orientiert. Während die Skandinavier den Arbeitskräftemangel der Sechziger mit mehr berufstätigen Frauen kompensierten, importierten Österreicher und Deutsche lieber Gastarbeiter. Wer bald nach der Geburt arbeite, gelte bis heute schnell als "Rabenmutter", sagt Erler: "Selbst junge Frauen sagen: 'Warum bekommst du ein Kind, wenn du es gleich wieder abgibst?'"

Dabei sei gerade die Erwerbstätigkeit - in Kombination mit verlässlicher und leistbarer Kinderbetreuung - der Schlüssel zu mehr Kindern. Denn die Kinderfeindlichkeit und der damit verbundene Rückgang der Geburtenzahlen sei keineswegs individuell, sondern strukturell, konstatiert Erler: "Eigentlich ist die Sehnsucht nach Kindern bei jungen Menschen groß, aber dieser Schritt ist mittlerweile zu schwer geworden."

Als Folge der liberalen Familienpolitik in Deutschland ist die Geburtenrate dort erstmals seit Jahrzehnten wieder im Steigen begriffen. Das "Elterngeld", bei dem zwei Drittel des Netto-Einkommens nach der Geburt eines Kindes für maximal vierzehn Monate weiterbezahlt werden, hat eine deutlich höhere Väterbeteiligung bewirkt. Jeder fünfte Vater bleibt mittlerweile zu Hause. Zudem gibt es ab 2013 in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, und zwar für alle Kinder ab dem ersten Geburtstag.

Im familienpolitischen Programm der österreichischen Bundesregierung sieht Erler "gute Ansätze, aber die Prioritäten sind zu schwach zugespitzt". Der sogenannte "Papamonat" unmittelbar nach der Geburt - der im Regierungsprogramm gar nicht explizit festgehalten ist - sei nicht viel mehr als ein "Schnupperkurs". Eine echte Wahlmöglichkeit sieht Erler im österreichischen System nicht, schon allein, weil es nur für zehn Prozent der Kleinsten die Möglichkeit für Frühbetreuung gibt: "Von einer Wahlmöglichkeit würde ich erst ab 30 oder 40 Prozent sprechen." (Andrea Heigl und Gerald John, DER STANDARD Printausgabe, 9.12.2008)