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Die Faktoren Umweltverschmutzung und Klimawandel wurden bei entwicklungspolitischen Fragen bisher kaum beachtet.

Foto: REUTERS/Jitendra Prakash

STANDARD: In Ihren Veröffentlichungen fällt nirgends das Wort Entwicklungshilfe - bewusst nicht?

Messner: Ja, Entwicklungshilfe klingt nach: Wir wissen alles besser und helfen denen auf die Beine. Entwicklungszusammenarbeit ist das passende Wort. Es ist eine Investition in Partnerschaft, Bildung, Infrastruktur oder auch Anpassung an den Klimawandel. Es soll sich rechnen, und zwar für beide. Wenn wir in Afrika zu Stabilität und wirtschaftlicher Entwicklung beitragen, hilft das den Menschen vor Ort, aber es begrenzt auch die Migration.

STANDARD: Sie haben den Klimawandel erwähnt. Welche Rolle spielt er in der Entwicklungspolitik?

Messner: Verrückterweise fängt diese Debatte erst an. In der Entwicklungspolitik haben wir Akteure manchmal den Eindruck, wir sind immer ganz weit vorn, die wichtigen Zukunftstrends zu diskutieren. Aber die herausragende Bedeutung dieses Themenfeldes, das wir heute unterstreichen, hat vor drei Jahren niemand so gesehen. In den ganzen Strategien zur Armutsbekämpfung ist die Klimafrage kaum integriert.

STANDARD: Was wissen die Akteure in den mutmaßlich am meisten vom Klimawandel betroffenen Ländern?

Messner: In den Entwicklungsländern selbst ist das Wissen um Klimafolgen schlecht ausgeprägt und hat wahrscheinlich in den letzten Jahren sogar abgenommen, weil jetzt alle internationalen Akteure von der Weltbank über die regionalen Entwicklungsbanken bis hin zu unserem Institut auf der Suche nach Experten aus diesen Ländern sind und wir die einkaufen. Wegen dieses Braindrains sollten wir so investieren, dass Know-how über Klimafolgen lokal geschaffen wird. Anpassungsstrategien müssen wirklich vor Ort ausgedacht werden.

STANDARD: Im Zusammenhang mit dem Klimawandel sprechen Sie von Konfliktwahrscheinlichkeiten. Warum die Zurückhaltung?

Messner: Im Gegensatz zur Physik gibt es keine Gesetzmäßigkeiten, ab welchem Punkt es zum Krieg kommt, sondern in bestimmten Konstellationen können Konflikte auftauchen, aber sie können auch bewältigt werden.

STANDARD: Sie fordern eine Konvention für Klimaflüchtlinge - warum?

Messner: Nach herrschendem Völkerrecht sind diese Menschen Wirtschaftsflüchtlinge. Wir verrechtlichen ihren Status besser jetzt als dann, wenn uns der Klimawandel entglitten ist. Wird das Gangesdelta infolge eines Meeresspiegelanstiegs von 75 Zentimetern überschwemmt, müssen achtzig Millionen Bangladescher und dreißig Millionen Inder ihre Heimat verlassen. Diese Sorge ist übrigens der Grund, warum die indische Regierung an der Grenze eine 2500 Kilometer lange Mauer baut.

STANDARD: Vom Klimawandel sind nicht alle gleichermaßen betroffen. Einzelne Länder profitieren sogar davon. Kann man die zur Kasse bitten?

Messner: Wir sind jetzt an dem Punkt, wo wir über diese Fragen in Bezug auf den Anpassungsfonds bei der Weltbank und auf die Verhandlungen für die Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen zu reden beginnen.

STANDARD: Welche Rolle spielen Wissenschaft und Technologie in der Entwicklungszusammenarbeit?

Messner: Forschung und Wissenschaft haben in den letzten zehn Jahren leider an Bedeutung verloren. Investitionen in Köpfe sind wichtig, aber da tun wir zu wenig. Technologie war in der vergangenen Dekade gar kein Thema.

STANDARD: Woran liegt das?

Messner: Wir denken an Symptome. Da geht es um Armutsbekämpfung, um Beseitigung von Kindersterblichkeit - die Millenniumsziele. Sie sind richtig, aber um sie zu erreichen, wird oft einseitig nur Sozialpolitik gemacht. Um die Armut in den Griff zu bekommen, brauchen wir auch eine Strategie, die auf Wachstum, Weltmarkt, Wettbewerbsfähigkeit und Technologie setzt.

STANDARD: Sollte man nicht zuerst schauen, was die Projekte bringen?

Messner: Die Diskussion über die Nachhaltigkeit hatten wir Ende der Achtzigerjahre. Experten gehen in ein Entwicklungsprojekt, und so lange läuft es ganz gut. Nach ein paar Jahren gehen die Experten raus, und das Projekt bricht nicht selten in sich zusammen, weil es nicht in den Strukturen im Land verankert ist und keine Lernprozesse bei Einheimischen stattgefunden haben. Der Effekt dieser Diskussion war, dass die Projekte kleinteiliger wurden, weil die Manager wollten, dass ihr Projekt lange existiert. Man hat lieber etwas gemacht, was einfach ist, als etwas, was entwicklungswirksam, aber riskant ist.

STANDARD: Fällt es nicht auf, wenn Entwicklungszusammenarbeit wenig weiterbringt?

Messner: Bis vor zehn Jahren hat man sich kaum mit der Wirksamkeit beschäftigt, sondern mit Input-Indikatoren. Die Vermutung war: Wenn man an den richtigen Stellen viel Geld reinbuttert, wird der Output stimmen. Dann stellte man fest, dass in einzelnen Ländern viel passiert ist und andere trotz vieler Projekte nicht profitieren. Tansania hat im Gesundheitssektor mit vierzig unterschiedlichen Geberorganisationen zu tun. Die Regierung muss Hunderte von Missionen empfangen, die evaluieren wollen und unterschiedlichste Ansätze verfolgen. Daher versucht man jetzt, die Beiträge der Geber zu poolen, um entwicklungshemmende Parallelstrukturen zu verhindern und die Institutionen der Partnerländer zu stärken.

STANDARD: Wie werden Prioritäten gesetzt?

Messner: Zuerst schaut man, wie man die Mittel am besten einsetzt, um den Milleniumszielen am nächsten zu kommen: Konzentrieren wir uns auf Länder, wo es am meisten Arme gibt? Oder gehen wir dahin, wo andere nicht sind? Dann folgt der Umwandlungsprozess. Parlamentarier sagen: Sie wollen aus dem Kongo raus? Dann die Umweltpolitiker: Sie haben nicht in Wasser investiert? Das Entwicklungsministerium wird argumentieren, dass es wirksamer ist, sich auf dreißig Länder zu konzentrieren. Das Außenministerium findet es gut, wenn die Entwicklungspolitik in vielen Ländern präsent ist. (Stefan Löffler/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)