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Der EU-Parlamentswahlkampf könnte zu einer Auseinandersetzung um den Vertrag von Lissabon werden und überproportional viele EU-Gegner in die Volksvertretung bringen, fürchtet man in Brüssel.

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Auch wenn es offiziell weder in Irland noch in Brüssel bei der EU-Kommission bestätigt wird: Es ist nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch wann Irland ein zweites Mal über den Vertrag von Lissabon abstimmt. Ursprünglich galt bereits der Oktober 2009 als fix, doch nun scheint auch ein Termin im Frühling denkbar.
Verantwortlich für die Eile ist die Finanz- und Wirtschaftskrise, die in Irland Umfragen zufolge ein Umdenken ausgelöst hat: Am Beispiel Islands könne man sehen, wie sich die Krise auswirke, wenn man als kleines Land außerhalb der EU stehe und keinen Euro habe, heißt es auch in Medien, die noch vor einem halben Jahr gegen den Vertrag gewettert haben.

Dieser Stimmungsumschwung sollte genutzt werden, heißt es in Brüsseler Diplomatenkreisen. Ein Abstimmungstermin im Frühling hätte - vorausgesetzt, die Iren sagen diesmal Ja - den großen Vorteil, dass die Wahlen zum EU-Parlament im Juni auch schon nach den Bedingungen des Vertrages von Lissabon abgehalten werden könnten. Die Kräfteverhältnisse im EU-Parlament spiegeln nach dem Vertrag von Lissabon die Bevölkerungszahlen in der Union deutlicher wider als die Rahmenbedingungen, die derzeit nach dem Vertrag von Nizza gelten. Wird gemäß dem Vertrag von Lissabon gewählt, stehen Österreich 19 der 751 Abgeordneten zu. Nach Nizza gibt es hingegen nur 17 österreichische Volksvertreter.

Die Befürworter eines Frühling-Abstimmungstermins warnen davor, dass der EU-Parlaments-Wahlkampf europaweit zu einem Lissabon-Wahlkampf werden könnte, falls die Sache bis dahin nicht erledigt wäre. Und da erfahrungsgemäß die EU-Gegner leichter zu mobilisieren wären als die Befürworter, säßen in der Folge überproportional viele EU-Gegner im nächsten EU-Parlament, lautet die Befürchtung.

Die irische Regierung tritt eher für eine Abstimmung im Oktober ein, um zumindest ein "Anstandsjahr" zwischen den Referenden einzuhalten. Für Aufsehen sorgte ein Interview des irischen Außenministers Micheál Martin in der Irish Times, in dem er eine zweite Abstimmung für "nicht unumgänglich" bezeichnet hatte. Es hänge alles von den Zugeständnissen ab, die Irland am EU-Gipfel morgen, Donnerstag, und Freitag erhalte.

Als fix gilt, dass der Vertrag von Lissabon nicht mehr verändert wird, da dies eine neue Runde von Ratifizierungen nach sich zöge. Irland wird stattdessen Erklärungen der 26 anderen Staats- und Regierungschefs bekommen, in denen klargestellt wird, dass die irische Neutralität nicht infrage gestellt wird, dass der Vertrag auch keine Änderungen im Abtreibungsverbot bewirke und dass das irische Steuerrecht unverändert bleibe. Darüber hinaus soll es eine Willensbekundung der Staats- und Regierungschefs geben, jedem Mitgliedsland "seinen" Kommissar zu garantieren, also von der Verkleinerung der Kommission auf 18 Mitglieder nach dem Rotationsprinzip zu verzichten. Diese Klarstellungen sollten ausreichen, um den Vertrag den Iren erneut zur Abstimmung vorzulegen. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerte sich am Dienstag in Brüssel entsprechend: "Es sollte kein Problem sein, eine Kommission mit 27 oder mehr Mitgliedern zu haben." Sollte dies ein wichtiges Anliegen Irlands sein, "werde ich das unterstützen", so der Kommissionschef. Barroso schloss eine Verlängerung des Mandats der amtierenden EU-Kommission um ein bis zwei Monate wegen der Vertragskrise nicht aus. Das Mandat der derzeitigen EU-Kommission endet am 21. November 2009. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)