Das hätte auch einfacher gehen können: Die EU-Kommission sperrte sich zuerst gegen die Banken-Hilfspakete Frankreichs, Österreichs und gegen die Kapitalzufuhr für die deutsche Commerzbank. Einige Wochen hat das Tauziehen zwischen Brüssel und den betroffenen Hauptstädten gedauert - ohne dass es viel gebracht hätte.

Da kann man nur neidvoll über den Atlantik blicken: Die USA haben zwar auch ein paar Tage um die Ausgestaltung des Banken-Rettungsplans gerungen, doch nach dem Sanktus durch den Kongress ging es Schlag auf Schlag, und selbst ein Schwenk des Finanzministeriums weg von der ursprünglich geplanten Übernahme fauler Kreditpapiere hin zur Kapitalstärkung der Banken erfolgte ohne lange Diskussionen. Mittlerweile haben alle US-Großbanken einen staatlichen Aktionär, bei tausenden kleineren Instituten läuft dieser Prozess gerade.

Dass der Hase in Europa anders läuft, zeigte sich schon vor zwei Monaten, als die Pleite von Lehman Brothers zu hektischer Betriebsamkeit führte. Besser gesagt Betriebsamkeiten, denn die EU-Staaten setzten allerlei divergierende Schritte: erst bei der staatlichen Einlagensicherung, dann bei den Hilfen für die Banken und schließlich beim Schnüren von Konjunkturpaketen - am Anfang stand jeweils die Innenpolitik Pate. Die europäische Gesamtheit bleibt bis heute ein Lippenbekenntnis.

Sehr zum Leidwesen der EU-Kommission und ihrer für Wettbewerb zuständigen Vertreterin Neelie Kroes. Die Niederländerin hatte in den letzten Wochen einige Hühnchen zu rupfen. Der Ausgang entspricht ungefähr dem Stil der Auseinandersetzung: Die Bankenpakete werden mit einigen Korrekturen abgesegnet, ohne dass die Sinnhaftigkeit des langen Prozedere erkennbar wäre. Dabei gäbe es im Rahmen des Beihilferechts für derartige Staatseingriffe klare Spielregeln: Sie sind untersagt, solange sie die EU-Kommission unter Einhaltung diverser Grundsätze (wie Restrukturierungsplan, Einmaligkeit der Zuschüsse usw.) genehmigt.

An diese Prinzipien klammerte sich die Kommissarin. Doch bald wurde klar, dass EU-Verträge in Zeiten des Subventionswettbewerbs wenig gelten. Nun kann man natürlich mit der Dringlichkeit der Bankenstärkung argumentieren, bei denen man auf lästiges EU-Recht keine Rücksicht nehmen könne. Doch in diesem Fall hätten die Mitgliedsstaaten vorsorgen müssen. Etwa bei ihrem Sondertreffen in Paris, bei denen zwar Finanzspritzen akkordiert, die Operationsbedingungen aber offengelassen wurden.

Auch der Stabilitätspakt mit seiner dreiprozentigen Defizitgrenze wurde bei selbigem Treffen in die Luft gesprengt. Nun machen zwar rigide Haushaltsvorschriften in einer Rezession wenig Sinn, doch wenn die Budgetlöcher in einigen EU-Ländern in Richtung zehn Prozent wachsen, gefährdet dies den ganzen Euroraum.

Es ist schon bemerkenswert, wie sich die Regelwerke in der Union widersprechen. Da wurde mit Basel II ein Korsett geschnürt, das auf Eigenmittelquoten der Finanzwirtschaft basiert. In Zeiten fallender Wertpapierkurse sinkt die Kapitalausstattung allerdings automatisch, weshalb die Banken eigentlich die Kredite zurückschrauben müssten.

Genau das soll derzeit verhindert werden, um die Konjunktur am Leben zu erhalten. Weshalb die Staatsbeteiligungen an Banken als Weisheit letzter Schluss hochstilisiert werden. Diese stehen wiederum auf Kriegsfuß mit dem Beihilferecht und sind auch mit den Budgetvorgaben schwer vereinbar.

Zu den EU-Widersprüchen zählt auch die Zentralbank: Sie überschüttet die Geldinstitute mit so viel Liquidität, dass sie an Kreditvergaben untereinander gar nicht denken. Zwischen Basel, Brüssel und Frankfurt liegen offenbar Welten. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)