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Erdwärme beim Tunnelbau erhöht die Energieeffizienz und kann im Idealfall Wärme sogar an Drittnutzer abgeben.

Foto: AP/Keystone, Olivier Maire

Die neuen Stationen der U2-Verlängerung in Wien wirken im Vergleich zu anderen luftig und großzügig. Im Hintergrund haben sie auch einige Vorzüge: Die Heiz- und Kühlenergie kommt überwiegend aus der Erde selbst.

Die Erdwärmenutzung ist ein altes Prinzip. In Höhlen und Kellern dienen die Sommer wie Winter konstanten Temperaturen im Erdinneren seit Menschengedenken der Lebensmittellagerung. Leistungsfähige Wärmepumpen ermöglichen seit einigen Jahrzehnten die Anhebung der im Untergrund gespeicherten Energie auf Temperaturniveaus, die auch die Beheizung oder Kühlung von Gebäuden erlauben. Seit Anfang der 1990er-Jahre kann man Absorbersysteme (Wärmetauscher) in Gebäude-Fundamente integrieren, um damit größere Energiepotenziale zu günstigeren Preisen zu erschließen.

Speziell an diesen Wärmetausch-Systemen und ihrer Integration in die Betonteile beim Tunnelbau wurde im Umfeld der TU Wien seit Jahren geforscht, erzählt Geotechniker Dieter Adam. Was dabei herauskam, ist Esys: Energiesysteme für Tunnelthermie. Das von den beiden TU-Instituten für Eisenbahnwesen und Grundbau und Bodenmechanik gemeinsam mit den Wiener Linien und den Partnerfirmen Atlas Copco MAI und Geotechnik-Adam ausgetüftelte System heimste heuer als "nachhaltige Infrastruktur für das 21. Jahrhundert" den Staatspreis für Verkehr des Infrastrukturministeriums ein.

Die im Hochbau ohnedies vorhandenen Bodenplatten und Pfähle werden dabei mit den sogenannten Erdwärmeabsorbern ausgestattet. "Schlichte Plastikschläuche mit 25 bis 30 Millimeter Dicke", beschreibt Adam. Verlegt werden sie zum Beispiel in die Dichtungsfolie, die die Spritzbetonaußenschale eines Tunnels umschließt. Oder in sogenannten Ankern: Bauteile, die nadelstichartig den Felskörper rund um den Tunnel erschließen und für die Stabilität eines Hohlraums sorgen. Kilometerweise werden solche Schläuche in den Betonfundamenten verlegt. Das mithilfe einer Wärmepumpe durchströmende, zirkulierende Wasser transportiert die Wärme aus der Erde dorthin, wo sie benötigt wird.

Im Idealfall sogar an Drittnutzer - wie beim Tunnelthermie-Pilotprojekt der ÖBB im Lainzer Tunnel. Mittels Wärmepumpe werden dort jährlich rund 200 Megawattstunden Wärme aus der Erde gesogen und an die Sportschule Hadersdorf abgegeben. Die Gasheizung braucht man nur noch zur Spitzenabdeckung.

Da dieses Vorbild so vorzüglich funktionierte, traute man sich auch bei den Wiener Linien über die Tunnelthermie, sagt deren Experte Andreas Oberhauser. Der Clou für die Verkehrsbetriebe der Hauptstadt ist nun, dass im Winter die Wärme aus dem Boden gewonnen wird. Im Sommer legt man einfach einen Schalter um, und die Anlage läuft in die entgegengesetzte Richtung. Die überschüssige Wärme strömt über Fußboden- und Wandheizung in den Boden. Der zusätzliche Einsatz einer strombetriebenen Klimaanlage ist damit unnötig. "Da Klimaanlage und Beheizung über ein System funktionieren, sinken auch die Betriebskosten", skizziert Oberhauser die wirtschaftlichen Überlegungen, "ganz abgesehen von der positiven Klimabilanz." Je höher die Preise für fossile Brennstoffe, desto schneller rechne sich die Anlage.

Derzeit geht man von einer Amortisierung in 20 Jahren aus. Tendenz sinkend, weil die Errichtung mit steigender Kommerzialisierung der Bauteile günstiger wird, meint Oberhauser mit Blick in die Zukunft. An direkten Vergleichszahlen mit den herkömmlichen Systemen wird noch geforscht. (Regina Bruckner/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2008)