Wien - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Beschwerde einer Antragstellerin, die als Mann geboren und nach Hormontherapien sowie kosmetischen Maßnahmen als Frau anerkannt werden will, an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) übertragen. Hintergrund ist die Frage, ob Transsexuelle nur nach einer operativen Geschlechtsumwandlung ihr neues Geschlecht auch rechtlich, also etwa in Personaldokumenten, anerkennen lassen können.

"Keine Frage des VfGH, sondern des Verwaltungsgerichtshofs"

Der Sprecher des Verfassungsgerichtshofs Christian Neuwirth erklärte, die Frage, wie weit geschlechtskorrigierende Maßnahmen gehen und ob der Beschwerdeführer dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuzuordnen sei, "ist keine Frage des VfGH, sondern des Verwaltungsgerichtshofs". Deshalb habe man beschlossen, die Beschwerde abzulehnen und dem VwGH zu übertragen. Konkret heißt es in dem VfGH-Beschluss: "Die spezifischen verfassungsrechtlichen Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die beschwerdeführende Partei nach der Vornahme geschlechtskorrigierender Maßnahmen bereits dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen ist, nicht anzustellen."

"Operationszwang" nicht mehr Stand der Wissenschaft

Lambda, die Bürgerorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, kritisierte, dass der "Operationszwang" - also das Abhängigmachen des Geschlechtswechsels von einer genitalverändernden Operation - heute überholt und nicht mehr Stand der Wissenschaft sei. Im Gegenteil werde der Operationszwang als Menschenrechtsverletzung angesehen. In einer Aussendung von Lambda heißt es: "Die Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof wurde als Mann geboren und lebt, nach Hormontherapien und kosmetischen Maßnahmen, bereits seit Jahren sozial integriert als Frau. Dennoch wird ihr die Annahme eines weiblichen Vornamens verwehrt und erhält sie keine Dokumente, die ihrem gelebten Geschlecht und ihrem äußeren Erscheinungsbild entsprechen. Das Vorzeigen aller für das Alltagsleben wichtigen Dokumente wie Reisepass, Meldezettel oder Geburtsurkunde offenbaren ihre Transsexualität und zwingen sie regelmäßig zum bloßstellenden und oft erniedrigenden Outing."

Mehr erwartet

Eine genitalverändernde Operation könne "die Antragstellerin jedoch nicht durchführen, weil der damit verbundene langdauernde Krankenstand bei ihrer leitenden Funktion in der Privatwirtschaft mit Sicherheit mit der Beendigung ihres Dienstverhältnisses verbunden wäre". Jedenfalls hätte sich Lambda vom VfGH mehr erwartet, "nachdem der Verfassungsgerichtshof vor zwei Jahren den Scheidungszwang gekippt hat", heißt es.

Zwei Beschwerden angängig

Dass derzeit zwei Beschwerden gegen den Umgang der Republik Österreich mit Transgenderpersonen beim VfGH aufliegen, betonte Angelika Frasl, stellvertretende Bundesvorsitzende und Transgenderbeauftragte der SoHo (Sozialdemokratie und Homosexualität) am Donnerstag: "Damit müssen sich die Verfassungsrichter erneut mit einem Thema beschäftigen, dass seitens der Politik schon längst erledigt sein sollte." Sie verwies auf die im Koalitionsübereinkommen festgelegten rechtlichen Verbesserungen für Transgenderpersonen und auf einen bereits im Jänner 2006 von SPÖ und Grünen eingebrachten Gesetzesantrag im Nationalrat, der das Ziel hatte das Namensrecht so abzuändern, dass es erwachsenen Menschen freigestellt ist, selbst zu entscheiden welchen Vornamen sie führen möchten. Der Antrag wurde damals mit den Stimmen der ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierungskoalition abgelehnt, erklärte Frasl, die bedauert, dass sich seither in dieser Sache nichts bewegt hat.

Auch hält Frasl es für unbedingt erforderlich, den Personenstand bei diagnostizierter Transsexualität auch ohne der Durchführung von operativen Maßnahmen an den Geschlechtsteilen, ändern zu können. (APA/red)