Wien - Josef Cap klingt selbst etwas überrascht. „Jetzt stellt sich die Sinnhaftigkeit der Europäischen Union heraus", konstatiert der SPÖ-Klubobmann, der im abgelaufenen Jahr nicht nur freundlich über Brüssel geurteilt hat. Dem aktuellen Anlass wäre Konfrontation auch nicht angemessen: Ab Donnerstag muss sich Werner Faymann bei seinem ersten EU-Gipfel als Kanzler bewähren.
Der anstehende Auftritt motivierte die SPÖ dazu, den Nationalrat in einer „aktuellen Stunde" über Krisenbekämpfung in der EU und die entsprechende Position der Regierung diskutieren zu lassen - ohne allerdings selbst allzu Konkretes zum Thema zu berichten. Cap positioniert Österreich auf Seiten Nicolas Sarkozys und nicht auf jener der „zaudernden" Angela Merkel. Faymann will sich beim EU-Rat dafür einsetzen, dass auch andere Staaten dicke Konjunkturpakete schnüren. Beim Koalitionspartner ÖVP provozieren sie damit kaum Widerspruch. Als „sehr korrekt" stuft der Abgeordnete Wolfgang Schüssel Europas Antwort auf die Krise ein.

Sie hätte gerne Genaueres über die europapolitischen Ziele gehört, moniert hingegen die Grüne Eva Glawischnig und fordert etwa Initiativen für eine Transaktionssteuer. Außerdem ärgert die Klubchefin Faymanns Ankündigung, die Industrie vor zu strengen Umweltauflagen zu schützen, um nicht Arbeitsplätze zu gefährden.
Überraschender fällt die erste blaue Wortmeldung aus: Wirtschaftssprecher Bernhard Themessl setzt zu einem ausgiebigen Lob an - auf die EU! Die Union habe durchschaut, dass Österreich den Banken im Rahmen des Hilfspakets Millionen „nachgeworfen" habe, ohne auf ein Mitspracherecht zu pochen, kritisiert Themessl und freut sich, dass Brüssel nun strengere Auflagen diktiert habe.
Andere Abgeordnete legen ihre Reden eher retro an. BZÖ-Klubchef Josef Bucher eröffnet mit dem alten Lamento über die hohen Benzinpreise, rote Abgeordnete sticheln gegen die ÖVP, die den Staat vorzeitig abgeschrieben habe, und lassen den Geist Bruno Kreiskys hochleben. Mehr als reflexartiges Murren („eine gefährliche Drohung") ernten sie an diesem verschlafenen Morgen aber nicht. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2008)