Rückruf ins Ungewisse

Foto: Der Standard

+++Pro
von Karl Fluch

Das ist jetzt zwar mindestens Neobiedermeier, aber jemanden um Rückruf zu bitten, hat natürlich mit dem Überthema Verlässlichkeit und dem Wunsch danach zu tun. Und der taucht überall auf. In der Beziehung: ("Kannst du mich bitte wissen lassen, wenn du dich scheiden lassen willst?), bei Bankmanagern ("Wo is mei Knödel?"), in der Fernsehprogrammzeitschrift (Am Bildschirm ist Roman Rafreider und nicht Superman, wie angekündigt). Von profan bis elementar reicht also das Bedürfnis. Das Verlangen nach Verlässlichkeit signalisiert auch den Einzelkindern da draußen: Ihr seid nicht alleine auf der Welt. Es gibt jemanden, der auf euch wartet.

Wenn's Gläubiger sind, die um Rückruf bitten, die Zeugen Jehovas oder der aus einer Laune heraus bestellte Sargtischler für den Nachbarn, ist es allerdings okay nicht zurückzurufen. In Zeiten des Mobiltelefons und dessen SMS-Talent empfiehlt sich in derlei Fällen eine kurze schriftliche Meldung: "Bin in der Karibik", "Fuck off!", oder "Nachbar wiederauferstanden". Alles andere wäre unhöflich.

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Contra---
von Michael Völker

Da liegt schon wieder ein Zettel auf dem Schreibtisch: "Bitte um Rückruf", der Name ist natürlich unleserlich. Fri, Fra, Frö... Kein Hinweis, ob das jetzt privat oder beruflich ist. Vielleicht will der Herr Bundeskanzler was, dann könnte es eilig sein, vielleicht will auch nur ein AWD-Vertreter ein paar Aktien loswerden. Es könnte die Freundin sein oder eine PR-Agentur, die eine Punsch-Hütte promoten will.

Und die notierte Nummer ist gänzlich unbekannt: Das kann der Friseur sein, bei dem man die Gehaltsliste aller Mitarbeiter liegengelassen hat, die Sprecherin der Raucherbewegung, die einen beschimpfen will, oder der japanische Gesandte, der den Geburtstag seiner Majestät des Kaisers feiern will. Also Rückruf ins Unbekannte.

Es tutet, dann eine schwache Stimme: "Jaaaahhh, Völker". Die Oma! Der man gestern versprochen hatte, in fünf Minuten zurückzurufen, weil es jetzt gerade ungünstig ist. Und natürlich vergessen hat, weil es immer ungünstig ist. Jetzt ist auch der Zettel zu entziffern: "Frau Völker". Und die Oma sagt: "Fünf Minuten sind schon ewig lange her!" (Der Standard/rondo/12/12/2008)