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Begrüßung mit zähnefletschender Herzlichkeit: Ratspräsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sitzungssaal des Rates in Brüssel.

Foto: Reuters/Roge

Wirtschafts- und Finanzkrise, Klimapaket und die Möglichkeit einer zweiten irischen Volksabstimmung zum Vertrag von Lissabon standen im Mittelpunkt des ersten EU-Gipfels von Kanzler Werner Faymann und Außenminister Michael Spindelegger.

Deutschland stehe voll hinter dem EU-Programm zur Stützung der Wirtschaft in Höhe von 200 Milliarden Euro. Allerdings werde nicht "mit Milliarden herumgeworfen" wie in anderen Ländern: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel gab - trotz großer Vorbehalte – dem Druck der EU-Partner nach und stimmte dem Konjunkturpaket zu. In den vergangenen Tagen musste Deutschland scharfe Kritik an seinem verhältnismäßig eher kleinen Beitrag einstecken.

In einem Interview mit dem US-Magazin Newsweek kritisierte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück ungewöhnlich offen die Steuersenkungen und die hohe Staatsverschuldung der britischen Regierung. "Dieselben Leute, die sich immer gegen Finanzierung durch Staatsverschuldung gewehrt haben, werfen nun mit Milliarden um sich", sagte Steinbrück.

Der britische Sender BBC sprach von einem "ungewöhnlichen Verstoß gegen die Regeln der Diplomatie", und sowohl Downing Street als auch das Finanzministerium seien verärgert. In Londoner Regierungskreisen hieß es demnach, Berlin vertrete eine "Meinung der Minderheit" und schere in der Auffassung darüber, wie die Krise in den Griff zu bekommen sei, aus.

Steinbrück stellte die britische Senkung der Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte auf 15 Prozent infrage. "Unsere britischen Freunde senken nun ihre Mehrwertsteuer. Wir haben keine Ahnung, wie viel Geschäfte davon an ihre Kunden weitergeben. Kauft man wirklich einen DVD-Spieler, weil er nun 39,10 statt 39,90 Pfund kostet?", fragte er. Die Maßnahmen würde Großbritanniens Staatsverschuldung auf ein Niveau heben, für das "eine ganze Generation" arbeiten müsse, um sie wieder abzubauen.

Erst am Montag hatten sich der britische Premier sowie der französische Präsident Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf einem Minigipfel in London auf Einigkeit gegen Deutschlands Sparkurs eingeschworen. Bundeskanzlerin Angela Merkel war erst gar nicht eingeladen.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hat vor seinem ersten EU-Gipfel, den er mit dem neuen Außenminister Michael Spindelegger in demonstrativer Harmonie begann, zu weiteren europäischen Investitionen aufgerufen: "Von der öffentlich bekannten politischen Diskussion haben wir eine Nähe zu Briten und Franzosen, die auch gesagt haben: Man muss jetzt investieren" , sagte Faymann. "Wenn man mit Löschwasser Feuer löscht, bekommt man den Vorwurf, dass man zu viel Wasser verbraucht, aber das Gegenteil ist der gefährlichere Vorwurf: dass nämlich der Brand nicht gelöscht ist" , so der Kanzler.

"Wer seriös ist, muss zugeben: Er weiß heute nicht wie die wirtschaftliche Situation, das Erholen der Finanzmärkte und das Erholen der kleinen und mittleren Betriebe in den nächsten Monaten aussieht."
Österreich habe ein ehrgeiziges Konjunkturprogramm in Höhe von fünf Milliarden Euro für 2009 und 2010. "Trotzdem würde ich nicht zu jenen Politikern gehören, die sagen: ‚Damit ist die Krise überstanden.‘" , sagte Faymann. Daher könne man weder für Österreich noch für Europa sagen "Strich drunter, das war's, das hat ausgereicht" .

Der Bundeskanzler traf vor Beginn des Gipfels mit Kommissionschef Barroso und Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner zu Gesprächen zusammen. Gemeinsam mit dem neuen VP-Außenminister Michael Spindelegger zeigte er sich optimistisch, dass Österreichs Wünsche sowohl beim Klimapaket wie beim Konjunkturprogramm erfüllt würden.

Deutschland schrumpft

Der deutschen Wirtschaft stehen nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts zwei harte Jahre bevor. 2009 werde die Wirtschaftsleistung um 2,2 Prozent zurückgehen, teilte das Ifo am Donnerstag mit. 2010 werde sich die Wirtschaft zwar wieder stabilisieren, wenn die Finanzkrise allmählich abebbe und die Weltwirtschaft sich bessere.

Dennoch werde das Bruttoinlandsprodukt auch 2010 um 0,2 Prozent schrumpfen. Vor allem der Einbruch bei den Exporten im Gefolge der weltweiten Konjunkturkrise dürfte die Wirtschaft im kommenden Jahr belasten. Exportweltmeister Deutschland erwarte ein Minus von fast sechs Prozent. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2008)