Merkel und Steinmeier am Sonntag: "Die Bundesregierung kann die Konjunktur nicht allein stützen."

Berlin - Angesichts der schweren Wirtschaftskrise wollen die großen deutschen Konzerne im kommenden Jahr möglicherweise auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Beim Spitzentreffen am Sonntagabend bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin boten sie an, eine entsprechende Selbstverpflichtung anzustreben. Merkel und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) riefen zu einem nationalen Kraftakt auf.

Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften müssten an einem Strang ziehen. "Es kommt darauf an, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen", sagte Merkel. Die deutsche Bundesregierung könne die Konjunktur nicht allein stützen. Auch Steinmeier warb für gemeinsames Handeln. Der Staat müsse gezielt entlasten: "Es muss kraftvoll gehandelt werden, aber auch mit Köpfchen."

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellte schnellere Investitionen in die Infrastruktur in Aussicht. Keine Einigung gab es über rasche Entlastungen der Verbraucher durch niedrigere Steuern oder Konsumgutscheine. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, die Entscheidung über weitere Konjunkturhilfen solle Ende Jänner fallen.

Unmut über Banken

Bei dem siebenstündigen Treffen im Kanzleramt waren unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Siemens-Chef Peter Löscher und der Telekom-Vorstandsvorsitzende René Obermann dabei. Die großen Unternehmen hätten signalisiert, dass sie Angebote der Regierung und der Bundesagentur für Arbeit wie das gerade verlängerte Kurzarbeitergeld nutzen wollten, um Stellenstreichungen zu verhindern, hieß es.

Im Auftrag von Merkel soll geprüft werden, wie das Misstrauen der Banken untereinander und die schleppende Kreditvergabe behoben werden können. In Wirtschaft und Koalition gibt es erheblichen Unmut über die Banken. Obwohl die Regierung den 480-Milliarden-Schutzschirm über die Kreditwirtschaft gespannt hat, verleihen viele Institute nur zögerlich Geld oder verlangen deutlich höhere Zinsen.

Eine Kreditklemme für große Unternehmen und den Mittelstand müsse vermieden werden, sagte Steinbrück. Auch Glos nannte es "ungeheuer wichtig", mit Stabilisierungsmaßnahmen den Geldkreislauf aufrecht zu erhalten. Mit Blick auf die Debatte über Steuersenkungen sagte er, es habe bei dem Treffen auch kontroverse Meinungen gegeben. Es sei aber "gut vorstellbar, dass man sich am Ende auf einen Mix einigen wird".

"Es gibt auch positive Trends"

Nach Angaben von Steinbrück sollen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt untersucht werden, damit so wenig Arbeitsplätze wie möglich von der Krise gefährdet werden. Die über 30 Teilnehmer des Krisengipfels seien sich einig gewesen, dass Prognosen über den Konjunkturverlauf im Augenblick schwer zu treffen seien. Steinbrück mahnte, die Bürger nicht ständig mit neuen Nachrichten zu verwirren. Es gebe weiter Risiken, aber auch positive Trends. So würden Verbraucher durch günstigere Energiepreise und geringere Preissteigerungen entlastet.

Steinbrück sagte, Einigkeit habe darin bestanden, alle öffentlichen Investitionen vorzuziehen. Dies betreffe mehr Ausgaben für Bildung, in den Kommunen, für die Breitbandverkabelung sowie in die Infrastruktur. Mit Blick auf die mögliche Selbstverpflichtung der Konzerne sagte er, es habe "positive Hinweise" gegeben, dass es eine Verabredung zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen geben sollte.

Merkel sagte unmittelbar vor dem Treffen, die "schwierigen Monate, die vor uns liegen", könnten am besten gemeinsam bewältigt werden. Die Regierung wolle im Jänner entscheiden, ob weitere Maßnahmen gegen die Krise erforderlich seien. Die Kanzlerin kündigte an, noch in dieser Woche mit den Ministerpräsidenten über das Vorziehen von Investitionen in die Infrastruktur zu beraten. "Alles, was wir im nächsten Jahr tun, sollte langfristig Deutschland stärken und kein Strohfeuer sein."

Steinmeier betonte, jeder Euro müsse 2009 sinnvoll für Beschäftigung ausgegeben werden. "Das darf nicht das Jahr der Entlassungen werden." Zuvor hatte Bundespräsident Horst Köhler zu einer neuen "konzertierten Aktion" aufgerufen. Mit diesem Ausdruck griff das Staatsoberhaupt einen Begriff aus den späten 60er Jahren auf. Damals hatte sich die Große Koalition mit Wirtschaft und Gewerkschaften regelmäßig getroffen, um die erste Nachkriegsrezession in den Griff zu bekommen. Auch Merkel setzt auf weitere Treffen. (APA/dpa/AP)