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E-Voting steht vor der Tür - und wird mit gemischten Gefühlen aufgenommen.

Foto: reuters/jo yang hak

Bei den nächsten ÖH-Wahlen im Mai 2009 sollen die Studierenden ihre Vertreter elektronisch wählen können. Doch an den Unis herrscht große Skepsis. Anfang der Woche sind die Vorsitzenden der Wahlkommission der Uni Wien, Verfassungsrechtlerin Gerda Marx und ihr Vertreter Matthias Köhler zurückgetreten. Ein Grund: Sie könnten "die Rechtmäßigkeit der Durchführung der ÖH-Wahlen nicht gewährleisten oder überwachen".

Darüber, ob man sich auf den ersten E-Voting-Versuch freuen oder fürchten soll, sind sich ExpertInnen, aber auch die ÖH uneinig. Während die Bundesvertretung der Hochschülerschaft gegen E-Voting gestimmt hat, hält sich die ÖVP-nahe  Aktionsgemeinschaft mit der Kritik am Projekt des Wissenschaftsministeriums zurück. "Lass dich aktivieren" ruft das Wissenschaftsministerium auf studi.gv.at auf. Auf Bedenken wird kaum eingegangen. Dafür werden unter den ersten 1.000, die ihre Bürgerkarte aktivieren, iPods, Laptoptaschen und Presse-Abos verlost.

Kontrolle

Peter Purgathofer, Professor am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung an der TU Wien, kann den Rücktritt von Marx und Köhler verstehen. "Bei der elektronischen Wahl muss man darauf vertrauen, was der Experte sagt. Man kann den Wahlvorgang aber nicht selbst überwachen." Auch er als Informatiker könnte nicht sicherstellen, ob letztendlich ein vertrauenswürdiges Programm verwendet wird. "Selbst wenn ich vor der Wahl die Software begutachte, kann ich nicht garantieren, dass dieselbe Software auch bei der Wahl selbst verwendet wird". Die Kontrolle darüber hätten in erster Linie jene, die die Wahl abhalten.

In der Theorie sei E-Voting zwar wasserdicht, betrugssicher und problemlos durchführbar, so Purgathofer. Die Menschen, die für die Programmierung zuständig sind, könnten jedoch - wissentlich oder unwissentlich - Fehler hinterlassen, die etwa eine Hintertüre für Angreifer bieten. "Wenn es jemand geschafft hat, das System zu manipulieren, kann man es nicht mehr nachvollziehen. E-Voting ist geheimnisvoll und verschlossen."

Papierwahl besser überprüfbar

Auch bei der Papierwahl sei die Möglichkeit zur Manipulation gegeben. "Da kennen wir aber die Gefahren, der Prozess ist wesentlich transparenter. Bei E-Voting wissen wir noch gar nicht, welche Möglichkeiten zur Manipulation es gibt". Etwa ein Drittel der Privat-Computer sei mit Spyware verseucht. "Diese Software schreibt etwa mit, welche Tastenbefehle man eingibt. Für dieses Drittel gilt schon alleine deshalb das Wahlgeheimnis nicht", so Purgathofer. E-Voting sei ein demokratiepolitisches Pulverfass. Das Vertrauen, dass dieser Technologie entgegengebracht wird, habe sie nicht verdient.

"Paranoia ist nicht notwendig"

Anders sieht das sein Kollege Thomas Grechenig, Professor für Softwaretechnik an der TU Wien. "Wenn man es ordentlich macht und die moderne Technik einsetzt, kann man Wahlprozesse sehr sicher machen", sagt Grechenig zu derStandard.at. Er habe das Gefühl, dass von Technikern oft übertrieben wird. "Doch Paranoia ist nicht notwendig". Bei den kommenden ÖH-Wahlen würde er eine Testwahl bevorzugen. Und für die Entwicklung der Wahlsoftware, wäre mehr Zeit und mehr Geld wünschenswert. "Eine schlecht vorbereitete Wahl macht das ganze Thema kaputt", so Grechenig. E-Voting sei jedoch in  Zukunft nicht wegzudenken.

Auch der  Verfassungsrechtler Klaus Poier von der Uni Graz befürwortet die Einführung von E-Voting unter der Voraussetzung, dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Es gäbe bereits Beispiele, die vorzeigen, dass E-Voting gut funktionieren kann und auch von der Bevölkerung gut angenommen werde, so Poier. Schweiz und Estland wären E-Voting-Musterschüler.

Dass es vielen Juristen an technischem Sachverständnis fehlt, sei jedoch ein Problem, sagt auch Poier. In diesem Fall müssten Sachverständige oder Juristen mit technischer Ausbildung hinzugezogen werden.

Gefahr und Nutzen abwägen

Zu Bedenken, was die Anonymität der Stimmabgabe betrifft sagt Poier zu derStandard.at: "Eine hundertprozentige Wahlsicherheit gibt es auch bei herkömmlichen Wahlen nicht." Man müsse jedoch zwischen Gefahr und Nutzen abwägen. Bei der Stimmabgabe in der Wahlkabine hätte der Staat zwar mehr Möglichkeiten, die Stimmabgabe zu schützen. Aber es sei auch ein Zugeständnis an die Mündigkeit des Bürgers auf die  Anonymität der Stimmabgabe auch selbst zu achten.

"E-Voting gehört bereits in vielen Ländern zum Standard. Es ist nicht nachvollziehbar, warum den Bürgern diese einfache Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung vorenthalten werden soll", so Poier. Purgathofer dazu: "Andere Länder haben auch Kernkraftwerke und wir können froh sein, dass wir diese gefährliche Technologie verhindert haben." (burg/derStandard.at, 18. Dezember 2008)