Zur Stippvisite im Parlament: Markus Kunesch, Nicole Stulak und Anna-Sophie Sailer beschäftigen sich viel mit Politik. Zum Beruf will Nicole sie aber nicht machen: "Ich kann nicht so gut lügen."

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Die "Generation Zukunft" will gestalten, ihr fehlen aber das Wissen und die geeigneten Ansprechpartner.

Urteilt man nach den nackten Zahlen, dann ist jede Partei gut beraten, sich in einem Wahlkampf eher um die Anliegen der Alten als um die der Jungen zu kümmern. Zwölf Prozent der Wähler sind jünger als 30 Jahre – etwa doppelt so viele sind hingegen Pensionisten. Im letzten Nationalratswahlkampf, bei der auf Bundesebene erstmals 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben durften, wurde dennoch viel um die Gunst der Jugendlichen gebuhlt – aus zwei Gründen, wie Politikwissenschafter Peter Filzmaier im Standard-Gespräch konstatiert: "Es ist gut für das Image, sich im Wahlkampf mit Jugendlichen zu umgeben. Und wer junge Wähler für sich gewinnt, hat eine langfristige Investition getätigt."

Denn das Vorurteil von der politikverdrossenen Jugend stimmt nicht, wie einige Studien mittlerweile belegen. "Wir diskutieren im Freundeskreis immer wieder über Politik" , erzählt auch die 19-jährige Wirtschaftsstudentin Anna-Sophie Sailer aus Baden, denn: "Politik ist alltäglich. Für mich ist es wichtig, dass ich weiß, was in der Welt passiert." Ähnlich sieht das der Wiener AHS-Schüler Markus Kunesch. Für ihn "regelt Politik eigentlich das Leben" . Das Gefühl, dass politische Entscheidungen sein Leben tatsächlich verändert haben, hat der 16-Jährige aber nicht – "außer vielleicht das Wählen mit 16" .

Endlich "wirklich wichtig"

Die gebürtige Rumänin Nicole Stulak sagt, sie will lieber in einer Demokratie als im Kommunismus leben und findet gleichzeitig, dass die Bürger bei zu wenigen Entscheidungen eingebunden werden: "Die Eurofighter zum Beispiel: Haben sie irgendwen gefragt, ob wir so etwas haben wollen? Nein, sie haben sie einfach gekauft." Als die 17-Jährige im September zum ersten Mal ihre Stimme abgegeben hat, hat sie sich "wirklich wichtig gefühlt" , erzählt sie im Gespräch mit dem Standard.

Nicole hat die SPÖ gewählt – und gehört damit der Minderheit jener Jungwähler an, die einer Großpartei ihre Stimme gegeben haben. Laut einer Nachwahlstudie des Institutes für Jugendkulturforschung hat ein Viertel der 16- bis 19-Jährigen die Grünen gewählt, die FPÖ erhielt in dieser Gruppe fast 22 Prozent der Stimmen. Rechnet man zu den Jungwählern alle unter 30-Jährigen, dann liegt die FPÖ mit 25 Prozent auf Platz eins.

Blaue Erfolgsfaktoren

Zur Rechts-Affinität der Jungen trägt "Ghettoisierung in jeder Form" bei, meint Filzmaier, das gelte auch für Erwachsene. Abgesehen vom formalen Bildungsgrad – je höher, desto weniger rechts -, würden vor allem die "soziologischen Rahmenbedingungen" beitragen, und der betont jugendliche Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache sei ein wesentlicher blauer Erfolgsfaktor.

Schülerin Nicole beobachtet, dass "immer mehr Leute ausländerfeindlich werden. Sie jammern über die Islamisierung und darüber dass Moscheen statt Kirchen gebaut werden – aber selbst gehen sie nicht in die Kirche. Was gehen sie dann die Moscheen an?" Junge Österreicher müssten lernen, "mit der Zuwanderung umzugehen und die Vorteile zu erkennen" .

Zu lernen gibt es in der Politik einiges – und nicht nur für Gymnasiasten und Studenten. "Politische Bildung muss dorthin gehen, wo es wehtut, in Hauptschulen und Berufsschulen" , lautet daher Filzmaiers Plädoyer. Da sind vor allem die Lehrer gefordert – deren Vorstellungen von politischer Bildung mitunter ganz anders sind als die der Schüler (siehe Grafik). Gymnasiast Markus etwa vermisst im Unterricht grundlegende Informationen "über Vorteile anderer Wahlsysteme, Volksabstimmungen oder Non-Profit-Organisationen" .

Politiker zu werden ist für die vom Standard befragten Jugendlichen keine Option. Studentin Anna-Sophie befürchtet, dass man "eh keine freie Bahn hat, sondern sich der Partei unterwerfen muss" . Und Schülerin Nicole meint, ihr fehle eine grundlegendes Talent: "Ich kann nicht so gut lügen." (Andrea Heigl, Katharina Weißinger,Mitarbeit: Sara Mansour Fallah und Hannah Tiefengraber vom Schüler- und Uni-Standard/DER STANDARD Printausgabe, 20./21. Dezember 2008)