Wien - Carl Henrik Fredriksson, damals Chefredakteur eines führenden schwedischen Kulturmagazins, war es leid, immer nur kulturelle Themen und Figuren von außen nach Schweden zu bringen, aber nicht zugleich etwa schwedische Autoren einer intellektuellen europäischen Szene zu vermitteln. Ein "One-Way-Verkehr", an dessen Durchbrechung er nun bereits seit vielen Jahren in Wien arbeitet. Genau zehn Jahre ist es her, dass Printjournalisten wie Fredriksson die Online-Plattform "Eurozine" etablierten - eine Vereinigung europäischer Kulturmagazine mit Headquarter in Wien.

Aus zu Beginn sechs Partnerzeitschriften wurden bis heute mehr als 70. Ausgewählte Artikel der Partner werden online gestellt und in andere Sprachen übersetzt, zum Teil auch in Magazinen anderer Länder veröffentlicht. Dabei geht es, anders als beim Goethe-Institut, nicht um Promotion, sondern um das "Bild einer fortlaufenden kritischen Auseinandersetzung". Also nicht um transnationale Vermittlung von Literatur, sondern um Literaturkritik - die von einem "Insider" nach "draußen" adressiert wird.

"Es reicht nicht, wenn ein Buch übersetzt und veröffentlicht wird", sagt Fredriksson. Erst wenn es im Zielland "eine Diskussion auslöst, bedeutet es, dass es in einem neuen Kontext angekommen ist". Besonders wichtig ist dem Team in Wien (neben Chefredakteur Fredriksson die Geschäftsführerin Sandra Nalepka), "kleine" Sprachen zu fördern und dem dominanten Englisch durchaus mit Skepsis zu begegnen.

"Die Schwierigkeit der grenzüberschreitenden Kommunikation ist aber nicht nur eine Frage der Sprache, sondern auch der Inhalte." Daher pflegt Eurozine bewusst theoretische Debatten. Spannend nachzulesen ist derzeit etwa jene über "Literary perspectives", mit Essays beispielsweise aus Österreich, Ungarn, Nordirland, Slowenien oder der Ukraine. Online kann man die Beiträge neben der Originalsprache etwa auch auf Deutsch, Englisch, Ungarisch und Litauisch lesen.

Von einer europäischen Kultur-idylle kann hier dennoch nicht die Rede sein. "Die EU fördert das, was sie für europäische Literatur hält", sagt Fredriksson, "doch diese existiert nicht - es gibt nur europäische Literaturen im Plural." Finanziert wird die Plattform vom Bund, der Stadt Wien und unterschiedlichen Förderungen und Sponsoren: "Wir sind keine Institution der EU!"

Problematisch wirke sich auf die Finanzierung aus, dass die EU vorwiegend nationale und ausgewählte binationale Initiativen unterstützt. Dass Weißrussland und die Türkei Mitglieder des Projekts sind und Eurozine zudem intensive Kooperationen mit Kulturinitiativen im Maghreb pflegt, sei auch kein Vorteil. Aber: "Europa ist ein wichtiges Vehikel für unsere Inhalte."

Das Spannende an der Internetseite ist genau das breite Spektrum an Kulturarbeit, die in einem Europa, das weit über seine Grenzen hinaussieht, Platz greift. Dass etwa in Algerien die Gründung eines kritischen Literaturjournals keine einfache Sache ist, während es in Schweden mehr als 400 etablierte Publikationen gibt - die Folgen einer politischen Reform aus den 70er-Jahren, die Kulturmagazine als in höchstem Maße wichtig für die Demokratie erklärte. (Isabella Hager / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.12.2008)