Klaus Albrecht Schröder

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Standard: Gratulation zum auch wirtschaftlich enormen Erfolg mit Van Gogh. Aber Sie haben sich gehörig verschätzt: Sie rechneten mit 450.000 Besucher, im Endeffekt sind es 589.180 geworden.

Schröder: 450.000 waren ein sehr ambitioniertes Ziel. Mit 600.000 Besucher zu rechnen: Das wäre anmaßend und unseriös gewesen.

Standard: Wie wollen Sie dieses Ergebnis jetzt noch toppen?

Schröder: Gar nicht. Ich mache eine solche Ausstellung nicht, um Rekordbesucherzahlen zu erzielen. Aber ich will generell das Besucherpotenzial maximal ausschöpfen. Ich stehe weiterhin dazu: Besucherzahlen sind eine aussagekräftige Kennzahl dafür, ob ein Publikum eine Ausstellung für sich als relevant erachtet. Ich bin mir sicher, dass es bei Van Gogh viele Besucher gab, die zum ersten Mal in einem Museum waren.

Standard: Nun dräuen große Probleme - das Belvedere verliert die Constantia Privatbank als Sponsor, bei Ihnen brechen wahrscheinlich die Kommunalkredit und viele weitere Unternehmen weg.

Schröder: Um niemanden in ein schiefes Licht zu rücken, sage ich nichts zu einzelnen Unternehmen. Aber Tatsache ist: Der Sponsorenausfall beträgt 2009 zumindest zwei Millionen Euro. Das ist sehr, sehr viel. Unser Umsatz beträgt 18 Millionen Euro, davon sind nur 5,5 Millionen Subventionen. Wir haben fixe Kosten von über acht Millionen, müssen also das Museum über unsere Ausstellungen finanzieren. Der Sponsorenausfall durch die Finanz- und Wirtschaftskrise trifft uns mit voller Härte. Es gelingt uns nicht einmal, für einzelne Ausstellungsprojekte, die für Sponsoren aufgelegt waren, solche zu finden. Die große Gerhard-Richter-Retrospektive mit 180 Werken ab 28. Jänner hat keinen Sponsor. Wir eröffnen am 3. März die Ausstellung "Das Zeitalter Rembrandts" mit 190 Werken aus dem goldenen Zeitalter der Niederlande - und haben dafür keinen Sponsor gefunden, nicht einmal Shell. Und wir haben unser Fundraising-Dinner, das im Jänner stattfinden sollte, abgesagt. Denn viele haben uns signalisiert: "Nicht, dass uns die 5000 Euro für einen Tisch umbrächten, aber es geht um die Symbolik."

Standard: Welche Summe von den zwei Millionen Euro entfällt auf österreichische Unternehmen?

Schröder: Derzeit 600.000 Euro. Der Betrag könnte noch höher werden.

Standard: Weil doch noch ein Jahrespartner ausfällt?

Schröder: Kein Kommentar.

Standard: Die Bundesmuseen forderten schon vor dem Ausbruch der Finanzkrise 20 Millionen Euro mehr, da die Subventionen seit einem Jahrzehnt mehr oder weniger stagnieren. Wird der Staat nun einspringen?

Schröder: Ich bin ein Realist, kein Pessimist. Und trotzdem prognostiziere ich eine Deflation, einen Preisverfall. Wir taumeln in eine Krise, von der ich nie dachte, sie erleben zu müssen. Die Arbeitslosenzahl wird daher nicht 30.000 oder 50.000 betragen, sondern wesentlich höher liegen. Die Sozialkosten werden explodieren. Ich muss mich daher fragen: Wo bleibt da die Kunst? Die Regierung wird jeden Cent brauchen, um die Situation halbwegs zu stabilisieren. Und: Man geht vielleicht weiter ins Museum, gibt aber nicht mehr so viel im Shop für Kataloge und anderes aus. Wir haben heuer hochgerechnet 997.000 Besucher. Wenn der Umsatz pro Besucher von 10,80 auf 9,50 Euro fällt, würde das für uns einen Verlust von 1,3 Millionen Euro bedeuten.
Standard: Was hat das für Konsequenzen?

Schröder: Ich versuche, den Personalstand in der Albertina zu halten. Die outgesourcten Arbeitskräfte werden aber reduziert. Und wir eliminieren die meisten Studioausstellungen. Für 2009 sind nur mehr drei geplant. Zum Glück war meine Strategie, eine Schausammlung aufzubauen, völlig richtig. Dadurch haben wir ein Standbein, das uns unabhängiger macht vom Erfolg im Ausstellungsbetrieb. Wir werden permanent alle Hallen bespielen - mit unseren Beständen. Unser Auftrag ist es eben, sechs Jahrhunderte Bildgeschichte zu zeigen.

Standard: In den vergangenen Jahren konnten Sie dank privater Unterstützer viele Ankäufe tätigen.

Schröder: Das stimmt. Die fallen nun weg. Das spürt zwar der Besucher heute nicht. Aber wir spüren das substanziell. Ich fliege morgen nach New York, um zehn Künstler zu treffen, darunter Robert Longo, Alex Katz, Jean Scully. Ich werde diesmal praktisch nichts kaufen können.

Standard: Ich dachte, Sie haben hohe Rücklagen.

Schröder: Nein, leider, wir haben ja die Kahn Galleries ausgebaut, die Rücklagen betragen nur mehr drei Millionen Euro. Damit finanzieren wir gerade einmal das nächste Jahr. Die Budgetpläne für 2010 und 2011 wurden vom Kuratorium abgelehnt.

(Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 23.12.2008)