STANDARD: Ende der Sechzigerjahre haben Sie im Bereich Massenspektrometrie für die Südafrikanische Atomenergiebehörde geforscht. Wie sind Sie von der Physikalischen Chemie zur Wissenschaftsgeschichte gekommen?

Krige: Man fragte mich damals, ob ich an Urananreicherung arbeiten wollte. Dazu hätte ich "clearance" benötigt. Da wurde mir klar, wie stark politisiert mein Job war. Dem Apartheidregime zu helfen, die Atombombe zu bauen, kam für mich nicht infrage. So habe ich gekündigt, das Land und mein Arbeitsfeld verlassen.

STANDARD: Mittlerweile sind Sie Professor für Wissenschaftsgeschichte am Georgia Institute of Technology in Atlanta, einer Hochschule, die als Rüstungsschmiede gilt.

Krige: Das Jahresbudget meiner Uni beträgt derzeit etwa 750 Millionen Dollar. Zwei Drittel davon kommen von der Regierung oder von der Industrie. Und von diesen 500 Millionen kommen wiederum etwa 75 Prozent vom Verteidigungsministerium. Ende der Achtzigerjahre waren es gar bis zu 95 Prozent! Man nennt das den "military-federal-academic complex" . Diese Forschung ist natürlich geheim.

STANDARD: Was bedeutet dies für die Kommunikation mit Ihren Kollegen?

Krige: Mit vielen der Ingenieure, etwa von der Luftfahrt, kann ich nur Smalltalk betreiben. Ein Gespräch läuft in etwa so: "Worüber arbeiten Sie?" - "Über das Verhalten von Gasen." - "Aha, und worum geht es genau?" - "Darüber kann ich nicht sprechen."

STANDARD: US-Forscher scheinen wenig Skrupel zu haben, für das Militär zu arbeiten.

Krige: Das ist völlig normal hier. An die 95 Prozent aller Physiker in den USA haben zumindest einmal in ihrem Forscherleben für das Militär gearbeitet. Das ist für sie ein Akt des Patriotismus. Und sie glauben, so wie die Politiker auch, dass die USA aufgrund ihrer Stärke eine Verantwortung für Frieden und Freiheit in der Welt haben. Und abgesehen davon ist es Teil des akademischen Geschäfts. Die Gelder des Militärs bieten eben sehr viele Möglichkeiten zur Forschung. In Europa liegen die Dinge aufgrund der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs anders. Zumindest an den Universitäten wollen Wissenschafter nicht für das Militär arbeiten, die Nato hat sich darüber schon 1963 beschwert. (Oliver Hochadel/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)